Gegen Bohrung im Schutzgebiet

Bürger und Politiker befürchten Gefahren für das Grundwasser im Landkreis Verden ‒ und neue Erdbeben

Verden. Mitten in einem Wasserschutzgebiet nahe Verden will die Deutsche Erdöl AG (Dea) nach neuen Erdgasvorkommen bohren. Die örtliche Bürgerinitiative warnt vor den Gefahren für das Grundwasser – und vor neuen Erdbeben in der Erdgasregion. In 5000 Meter Tiefe vermutet das Energieunternehmen nördlich von Scharnhorst mehr als eine Milliarde Kubikmeter Erdgas. Die Stadt Verden hat bereits eine Resolution gegen Erdgasförderung verabschiedet. Der Landkreis fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), ein entsprechendes Schreiben hat der Kreistag am Freitag uneingeschränkt unterstützt. Landtags- und Bundestagsabgeordnete aus der Region fordern ein generelles Verbot von Bohrungen in Wasserschutzgebieten.

„Wir sehen eine Gefahr für das Grundwasser, weil Trinkwasser führende Schichten durchbohrt werden sollen“, erklärt der Sprecher der Bürgerinitiative Martin Busch. Die Dea sage zwar, die Bohrung sei sicher, „aber kann man das wissen?“ Busch erinnert an ein Leck im Jahr 2012 an der Bohrstelle Völkersen, wo nun wieder gebohrt werden soll. Eine undichte Leitung mit ­Lagerstättenwasser hatte den Boden damals verseucht. Landwirte kämpfen bis heute mit den Folgen. „Es geht nicht nur um das Verdener Trinkwasser“, betont Busch, „es geht auch um das Bremer Trinkwasser.“ Die ­Hansestadt bezieht ihr Wasser zu einem ­großen Teil aus dem niedersächsischen ­Umland.

„Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung ernst“, sagt Dea-Sprecher Heinz Oberlach. Die Dea verfüge jedoch über die nötige Technik für eine sichere Bohrung im Wasserschutzgebiet. Es würden spezielle Rohre verwendet, der Bohrplatz werde mit Wannen abgedichtet. Eine Verlegung sei nicht möglich, „weil wir dann in besiedeltes Gebiet kommen“. Sollten sich dort unten – wie vermutet – eine Milliarde Kubikmeter Erdgas befinden, würde das ein Jahr lang für 500 000 Haushalte reichen, rechnet der Dea-Vertreter vor. Dass es bereits Probleme in Völkersen gegeben habe, räumt Oberlach ein. Von einem Umweltskandal könne aber nicht die Rede sein.

Zuletzt hat die Erde in der Nacht zum Montag in Langwedel gebebt. Bürgerinitiativen sehen einen direkten Zusammenhang mit der Erdgasförderung. Der Erdstoß hatte eine Stärke von 2,5 auf der Richterskala, allerdings in 5000 Meter Tiefe. „Die Region fühlt sich mit der Problematik komplett allein gelassen“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osterholz-Verden Andreas Mattfeldt und verweist auf frühere, stärkere Beben. Er fordert die neue Landesregierung in Niedersachsen auf, das Bohren in der Nähe von Siedlungen und in Wasserschutzgebieten endlich zu verbieten. Die Schäden an den Häusern bedeuteten einen Wertverlust für die gesamte Region.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth aus Kirchlinteln hat sich dafür eingesetzt, dass der Trinkwasserschutz in den Koalitionsvertrag von SPD und CDU aufgenommen wurde. Dort heißt es nun auf Seite 113: „Der Schutz des Trinkwassers hat für uns absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.“ Der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker aus Achim kritisiert, dass die bisherige rot-grüne Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren nur wenig Initiative für ein Verbot von Bohrungen in Wasserschutzgebieten gezeigt hat. Die neue Koalition in Hannover will ein Verbot prüfen.

Der Bürgermeister der Stadt Verden, Lutz Brockmann, unterstützt die Bürgerinitiative gegen das Gasbohren. „Der Trinkwasserschutz muss Vorrang haben“, betont er. Bereits im Frühjahr hatte der Stadtrat eine Resolution gegen die Gasförderung im Stadtgebiet verabschiedet, nachdem die Dea in der Ortschaft Scharnhorst Grundstücke gekauft hatte. Die Stadt fordert eine Beteiligung am Genehmigungsverfahren, den Schutz des Trinkwassers, ein Frackingverbot, ein Verbot der Verpressung von Lagerstättenwasser und eine Umkehr der Beweislast bei Schäden durch Erdbeben.

Dem Verdener Landrat Peter Bohlmann geht es um die Zukunft: „Das Trinkwasser darf auch auf Dauer nicht gefährdet werden.“ Er hält eine Umweltverträglichkeitsprüfung für notwendig. Dadurch erhoffen sich die Behörden vor Ort mehr Einfluss auf das Genehmigungsverfahren beim LBEG. „Der Antrag der Dea auf eine Bohrung in Verden liegt uns bereits vor“, bestätigt Sprecherin Heinke Träger. Ende Januar will die Dea ihrerseits informieren – direkt an der Bohrstelle Völkersen. „So früh sind wir noch nie an die Öffentlichkeit gegangen“, betont der Dea-Sprecher.

Schon der laufende Betrieb sei eine Gefahr, warnt indes der Zusammenschluss der norddeutschen Bürgerinitiativen gegen das Gasbohren. Sprecher Bernd Ebeling verweist auf die Schadstoffe, die beim Abfackeln entstehen. Er hofft auf die Untere Wasserbehörde beim Landkreis. „Wenn die das Einvernehmen nicht herstellt, besteht eine Chance, die Bohrung zu verhindern.“ Denn wenn erst gebohrt werde, da ist sich Ebeling sicher, werde wie an anderen Bohrstellen auch gefrackt. Und nach dem Frack werde dann das giftige Lagerstättenwasser verpresst. „Wenn das ins Grundwasser kommt, ist es zu spät.“

aus Verdener Nachrichten vom 16.12.2017