55 Jahre Élysée-Vertrag: Deutschland und Frankreich planen Erneuerung ihres Freundschaftsvertrages

55 Jahre Élysée-Vertrag: Deutschland und Frankreich planen Erneuerung ihres Freundschaftsvertrages

Heute haben wir im Deutschen Bundestag eine Sondersitzung anlässlich des 55. Jahrestages des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages oder auch Élysée-Vertrages abhalten. Parallel dazu hat auch die Französische Nationalversammlung getagt. Schlussendlich wurde am Ende der beiden Sitzungen von beiden Parlamenten eine gemeinsame Resolution mit gleichlautendem Text verabschiedet. Mit der Resolution sollen die deutsche Bundesregierung und die französische Staatsregierung aufgefordert werden, einen erneuerten Élysée-Vertrag zu erarbeiten. Zudem soll ein „Deutsch-Französisches Parlaments-Abkommen“ vorbereitet und im kommenden Jahr abgeschlossen sowie die Umsetzung grenzüberschreitender Projekte und Initiativen im Allgemeinen gefördert werden.

Meine persönliche Geschichte zeigt sehr deutlich, wie die große Politik das Leben der Menschen im Kleinen beeinflusst. Konrad Adenauer und Charles de Gaulle hatten den Élysée-Vertrag 1963 unterzeichnet und so die Grundlage für die deutsch-französische Freundschaft sowie dauerhaften Frieden und Stabilität in Europa geschaffen. Ein Schritt, der für mich als Kind einer Deutschen und eines Franzosen eng mit meiner eigenen Familiengeschichte verknüpft ist. Mein Vater war im Jahr 1968 im Rahmen der Städtepartnerschaft Verden – Saumur aus Frankreich in meine niedersächsische Heimatstadt Verden gekommen, wo er im Rahmen des gemeinsamen Austauschs auch gearbeitet und meine Mutter kennengelernt hatte. Beide waren damals gerade achtzehn Jahre alt und hätten sich ohne den deutsch-französischen Jugendaustausch sicher niemals getroffen. Noch eine Generation zuvor war mein Großvater während des Krieges noch von den Nazis nach Deutschlands verschleppt worden und hatte in Hessen in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Für mich heute nahezu unvorstellbar. Umso mehr bin ich mir deshalb der Bedeutung der engen deutsch-französischen Freundschaft bewusst, durch die wir in Europa dauerhaften Frieden und Stabilität erlangt haben. Diese gilt es deshalb nach meiner Überzeugung unbedingt weiter zu intensivieren und im Rahmen einer generellen Reform der Eurozone mit neuem Leben zu erfüllen.

Eine weitere Stärkung der deutsch-französischen Beziehungen ist aus meiner Sicht der richtige Schritt in eine insgesamt gestärkte europäische Zukunft. Darüber hinaus müssen wir die EU modernisieren und handlungsfähiger machen. Es braucht mutige Reformen, um heute die Grundlage für ein kräftiges Wachstum der Zukunft zu schaffen. Unerwartete Entwicklungen wie der Austritt Großbritanniens, die Griechenlandrettung oder der hohe Migrationsdruck haben der EU in den letzten Jahren ebenso Schaden zugefügt wie andere, schon länger andauernde Negativentwicklungen wie die Nichteinhaltung des Wachstums- und Stabilitätspaktes durch einige Mitgliedsländer oder die ausufernde und zum Teil fragwürdige EU-Bürokratie. Viele EU-Staaten leiden unter hoher Jugendarbeitslosigkeit und enormer Staatsverschuldung. Zukunftsorientiertes Handeln ist gefordert. Auch wenn ich keine „Vereinigten Staaten von Europa“ sehe, schon gar nicht bis zum utopischen Datum 2025, befürworte ich eine verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Wirtschaftspolitik. Was wir brauchen ist nicht noch „mehr Europa“, sondern ein handlungsfähigeres Europa, welches den aktuellen Herausforderungen sowie auch den Mitgliedsstaaten selbst wieder mehr gerecht wird, etwa wenn es darum geht, im EU-Haushalt „europäischen Mehrwert“ zu schaffen oder Mittel aus EU-Fonds stärker an Strukturreformen in Mitgliedsstaaten zu knüpfen.

Klar ist auf jeden Fall eines: Wenn wir die Zukunft Europas aktiv mitgestalten wollen, müssen wir endlich wieder zurück auf das Spielfeld treten, anstatt weiterhin nur von der Ersatzbank aus zuzusehen, wie andere Chancen ergreifen. Mit seiner Rede zur Reform der europäischen Union hat der französische Präsident Emmanuel Macron einen wichtigen ersten Schritt gemacht. Jedoch ist Macrons Weg auch mit hohen Ausgaben verbunden, für die vor allem die Bundesrepublik Deutschland zu einem großen Teil aufzukommen haben wird. Eine Ausweitung der Transferunion im Sinne der krisengeplagten, südeuropäischen Staaten Griechenland, Spanien und Italien und unterstützt von Macrons Frankreich sollte deshalb tunlichst vermieden werden. Darüber hinaus sollten diejenigen Staaten, die wie Polen oder Ungarn gegen die politischen und rechtsstaatlichen Grundsätze der EU verstoßen, zukünftig in direkter Konsequenz auch mit einer Kürzung ihrer finanziellen Mittel zu rechnen haben. Es darf am Ende nicht immer darauf hinaus laufen, dass man sich sagt, Deutschland kann zahlen, denen geht es ja schließlich gut. Eine Sanierung der Eurozone darf nicht auf dem Rücken des deutschen Steuerzahlers ausgetragen werden. Ich gehe davon aus, dass man sich am Ende auf ein gemeinsames Euro-Budget innerhalb des EU-Haushalts einig werden wird. Der Vorschlag Macrons, dazu bis zu drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung einzurichten, erscheint mir allerdings eher unwahrscheinlich.

Die Herausforderungen sind ohne Zweifel groß. Ein aus meiner Sicht als Wirtschaftspolitiker und Unternehmer ganz zentraler Punkt ist die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes sowie auch das Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Eine gemeinsame Erklärung Deutschlands und Frankreichs zur vollständigen und raschen Integration ihrer Märkte und zum gemeinsamen Einsatz für einen vollständig integrierten Binnenmarkt ist dazu ein wichtiges Signal. Bei allem Unmut über Finanzkrisen und die Nichteinhaltung des Stabilitätspaktes durch einige Mitgliedsländer dürfen wir nicht vergessen, dass der gemeinsame EU-Wirtschaftsraum seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Garanten für Wohlstand und Fortschritt sowie heute der größte und erfolgreichste Handelsraum der Welt sind. Aber auch im Inland müssen Bürokratie und Beschränkungen für die deutsche Wirtschaft weiter abgebaut werden. Nur so können wir sicherstellen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig und für Investoren attraktiv bleibt, insbesondere da sich auch die USA, Frankreich und Großbritannien zum Ziel gesetzt haben, ihre Unternehmen künftig stärker zu entlasten.

In der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind wir bereits auf einem guten Weg. Die gemeinsame europäische Verteidigung war einst einer der Gründungsgedanken der Europäischen Gemeinschaft, der dann nahezu 60 Jahre lang brach gelegen hat. Vor eineinhalb Jahren haben wir dann eine deutsch-französische Initiative auf den Weg gebracht, um die einer gemeinsamen europäischen Verteidigung wiederzubeleben und so den Grundstein für eine Europäische Verteidigungs- und Sicherheitsunion zu legen. Am 13. November 2017 haben die Außen- und Verteidigungsminister von 23 EU-Mitgliedstaaten in Brüssel dann die Notifizierung für die sogenannte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit oder auch „Permanent Structured Cooperation“ (PESCO) in der europäischen Verteidigungspolitik unterzeichnet. Ein guter und richtiger Schritt hin zu einer gemeinsamen Positionierung in strategischen Fragen, insgesamt reduzierten Verteidigungskosten sowie einer Standardisierung der Ausrüstung und kohärenteren Kooperation der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeiten. Unter anderem fällt darunter bspw. der schnellere Transport von militärischem Gerät über die Grenzen der Mitgliedsstaaten. Sogenannte Logistic Hubs sollen es künftig in Krisenfällen ermöglichen, europäische Truppen erheblich schneller als bisher in Einsatzorte zu verlegen und mit dem nötigen Material nachhaltig zu versorgen.