Antrag im Bundestag: Wie die regionalen Abgeordneten über das AfD-Verbotsverfahren denken
Antrag im Bundestag – Derzeit überwiegt die Ablehnung
Markus Peters und Felix Gutschmidt
Eine Gruppe von 35 Bundestagsabgeordneten um den ehemaligen Ostbeauftragten der CDU, Marco Wanderwitz, hat einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, ein Verbot der Partei „Alternative für Deutschland“ beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen.
Die Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens suchen seit Donnerstag vergangener Woche offiziell Unterstützung im Bundestag für ihren Vorstoß. „Wir laden alle Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen ein, sich unserer Initiative anzuschließen“, erklärten die Abgeordneten Carmen Wegge (SPD), Marco Wanderwitz (CDU), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Die Linke) und Stefan Seidler (SSW) gemeinsam.
Die Abgeordneten wollen vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob die AfD verfassungswidrig ist. Das ist nach Artikel 21 Grundgesetz möglich. Der AfD müsste nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die Verfassung vorgeht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Die Behörde will in den nächsten zweieinhalb Monaten ein neues Gutachten zur AfD vorlegen.
Ein Antrag könnte vom Bundestag mit Mehrheit beschlossen werden. Ob er genügend Rückhalt bekommt, ist offen. Die große Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten aus Bremen und der Region spricht sich gegen ein Verbotsverfahren zum jetzigen Zeitpunkt aus, einige Parlamentarier wollen ein solches Verfahren allerdings für die Zukunft nicht gänzlich ausschließen.
Thomas Röwekamp (CDU)
Sehr ausführlich hat sich der Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete und Jurist Thomas Röwekamp vor der Unionsfraktion zum AfD-Verbotsverfahren geäußert. „Nach den bisher vorliegenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere des Oberverwaltungsgerichts Münster, liegen nach meiner Meinung ausreichende gerichtsverwertbare Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD als Partei mit ihren Anhängern das Ziel hat, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung erheblich zu beeinträchtigen“, betont Röwekamp. Die Zeit sei reif für ein breit getragenes AfD-Verbotsverfahren, das gründlich vorbereitet und von allen demokratischen Kräften gemeinsam getragen und beantragt werden soll.
Dies gewährleiste aber der vorliegende Gruppenantrag leider nicht. Im Gegenteil: „Er leistet dem Verbot der AfD einen Bärendienst. Erhält er keine Mehrheit, so entsteht der Eindruck, dass ein Verfahren nicht aussichtsreich oder politisch gewollt ist. Erhält er eine womöglich knappe Mehrheit, leidet er an der fehlenden notwendigen Mitwirkung und Unterstützung durch alle Verfassungsorgane und führt zu einer lange andauernden und kontroversen Diskussion unter den demokratischen Kräften. Beides nützt nur der AfD selbst“, so der Bremer Abgeordnete.
Seine Schlussfolgerung: „Ich kann es daher mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, einen Gruppenantrag zu unterstützen, der dem berechtigten Anliegen eines AfD-Verbots eher schadet als nutzt und der AfD mehr nutzt als schadet. Ich werde daher auch in den kommenden Wochen und Monaten in allen demokratischen Parteien und auf allen Ebenen dafür werben, einen gemeinsamen Verbotsantrag vorzubereiten.“
Sarah Ryglewski (SPD)
In eine ähnliche Richtung zielen die Argumente der SPD-Bundestagsabgeordneten und Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Sarah Ryglewski: „Die AfD ist eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei, die eine verfassungs- und menschenfeindliche Haltung vertritt, und somit eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Dies wird in den öffentlichen Äußerungen und Auftritten ihrer Vertreterinnen und Vertreter deutlich. Daher muss sie mit aller Härte bekämpft werden – auch mit einem Parteiverbotsverfahren“, erklärt Ryglewski. „Die rechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind jedoch sehr hoch. Ein Verfahren sollte aus meiner Sicht daher erst eingeleitet werden, wenn genügend gerichtsfeste Beweise vorliegen und somit ein Erfolg des Verfahrens hoch wahrscheinlich ist. Ich vertraue darauf, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die AfD schon jetzt als rechtsextremen Verdachtsfall und in einigen Bundesländern bereits als gesichert rechtsextrem einstuft, dafür in absehbarer Zeit weitere Erkenntnisse liefern wird.“
Kirsten Kappert-Gonther (Grüne)
Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen unterstützt Kirsten Kappert-Gonther schon heute den Verbotsantrag der Gruppe um Marco Wanderwitz. „In der Form, aber vor allem auch in ihren Inhalten bewegt sich die AfD jenseits unserer demokratischen Grundwerte. Die AfD sät Hass und fügt unserem Land und unserer Demokratie großen Schaden zu“, schreibt die Grüne Bundestagabgeordnete an die Bremer Landespartei. „Die AfD will ein anderes Europa ohne die EU und eine autoritäre Wende in Deutschland.“ In zahlreichen Aussagen und Handlungen von Personen aus der Partei werde immer wieder eine Haltung deutlich, die die Menschenwürde anderer, vor allem von Minderheiten, negiert. Immer wieder äußerten sich Abgeordnete der AfD rassistisch. Der Bundesverfassungsschutz habe Teile der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft, so Kappert-Gonther.
Sie unterstütze die Forderungen nach einem Verbot, weil die AfD gefährlich für unsere Demokratie sei. „Die Vorstellung, die AfD würde sich entzaubern oder könne allein argumentativ zu minimieren sein, funktioniert nicht, weil sie nicht nach Regeln spielt, sondern sie nach eigenem Gutdünken selbst macht.
„Sollte ein Verbotsverfahren scheitern, sind die Folgen geringer, als wenn man es gar nicht versucht hätte. Ein Verbotsverfahren hat gute Aussichten auf Erfolg. Im ersten Schritt soll die gerichtliche Prüfung der Voraussetzungen für ein Verbot beantragt werden. Am Ende geht es darum, unsere Demokratie und unsere Verfassung zu schützen. Das gehört zu meinen Aufgaben als Mitglied des Deutschen Bundestages“, erklärt die amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.
Volker Redder (FDP)
Der FDP-Bundestagabgeordnete und Digitalisierungsexperte Volker Redder stellt sich klar gegen ein Verbotsverfahren: „Der Antrag hat meines Erachtens und nach Ansicht bekannter Verfassungsrechtler keine Aussicht auf Erfolg und wird bei Ablehnung der AfD eher nützen denn schaden (siehe NPD-Verbot). Die demokratischen Parteien dieses Landes müssen die AfD politisch stellen und nicht vor Gericht.“
Andreas Mattfeldt (CDU)
Ein AfD-Verbotsverfahren werde ich auf der aktuell vorliegenden Grundlage nicht unterstützen“, sagt Andreas Mattfeldt. Die Sorge der Gesellschaft über die Entwicklung der AfD in ihren Wahlergebnissen, ihren Umfragewerten und ihren Inhalten verstehe er sehr gut. Auch in den Berichten des Verfassungsschutzes zeigten sich zunehmend Indizien dafür, dass die AfD beziehungsweise Strömungen dieser Partei mutmaßlich verfassungsfeindlich seien. „Dennoch bleibt für mich die politische und inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD entscheidend und möglich.“ Mit dem neuen Grundsatzprogramm der CDU würden die fundamentalen Unterschiede in unseren politischen Grundwerten deutlich. Das sei eine gute Basis für diese Auseinandersetzung. „Ein solcher Ansatz erscheint mir erfolgversprechender und nachhaltiger.“
Der Bundestagsabgeordnete aus Völkersen warnt, dass ein Parteiverbotsverfahren kontraproduktiv sein könnte, weil es die AfD „in eine Märtyrerrolle bringen“ würde. „An verschiedenen Stellen hat es diese Partei in der Vergangenheit verstanden, eine solche vermeintliche Opferrolle für sich zu beanspruchen und dies leider mit einigermaßen großem Erfolg genutzt“, sagt Mattfeldt. „Besonders besorgniserregend dürfte diese Märtyrerrolle werden, wenn ein Verbotsverfahren scheitern sollte.“ Doch selbst bei einem Erfolg wäre nichts gewonnen. „Ein Verfahren, dass zum Verbot führt, würde vermutlich die Gründung einer Alternative zur Alternative mit sich bringen.“
Gero Hocker (FDP)
Ablehnend äußert sich auf Anfrage auch Gero Hocker: „Ein Verbotsverfahren halte ich für den falschen Weg“, sagt der Bundestagsabgeordnete aus Achim. „Die AfD ist nicht in der Lage, bei Wirtschaft, Verkehr oder Migration auch nur irgendein einziges stimmiges Konzept vorzulegen, das kurz- oder langfristig gut wäre für unser Land.“ Politischen Gegnern wie der AfD müsse man mit offenem Visier und den besseren Argumenten begegnen, nicht mit Verboten. „Zu keinem Zeitpunkt würde ich deswegen eine Diskussion mit AfD-Vertretern aus dem Wege gehen, weil ich davon überzeugt bin, bei diesen und anderen Themen die besseren Argumente zu besitzen.“ Die AfD verbieten zu wollen, würde genau diese Haltung, die unter Demokraten eigentlich selbstverständlich sein sollte, unterlaufen, sagt Hocker.
Lars Klingbeil (SPD)
Lars Klingbeil, SPD-Parteichef und Bundestagsabgeordneter für den Heidekreis, sieht zunächst die Experten am Zug. „Die Bewertung ist keine politische, sondern erst mal eine juristische“, sagte er Ende September. „Das ist jetzt Aufgabe der Expertinnen und Experten des Verfassungsschutzes beispielsweise, die ja Material sichten, die es sammeln.“ Wenn diese Experten zu dem Schluss kämen, dass die AfD den Staat und das Zusammenleben in Deutschland gefährde, „dann müssen wir politisch aktiv werden“. Er sehe seine Aufgabe weiterhin darin, den politischen Kampf gegen die AfD zu führen.
Weser-Kurier vom 22.10.2024