Arbeit, Forschung und ein komplexer Flieger

Arbeit, Forschung und ein komplexer Flieger

                            Bundestagsabgeordnete Mattfeldt und Knoerig besichtigen Bremer Produktion des Airbus A 400 M


Von Harry Laube Bremen·Landkreis Osterholz. Mehr als die Hälfte der 6000 Beschäftigten im Bremer Airbus-Werk kommen aus den niedersächsischen Umlandgemeinden und damit vor allem aus den Wahlkreisen der CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt (Verden-Osterholz) und Axel Knoerigs (Diepholz-Nienburg). Bei ihrem Besuch des Werkes machen sie klar, dass sie sich nicht nur für den Erhalt dieser Arbeitsplätze einsetzen wollen, sondern auch dafür, dass das Airbus-Werk Bremen auch künftig Standort für Forschung, Entwicklung und Bau von High-Tech-Bauteilen für Luft- und Raumfahrt bleibt.
Zudem machen sie sich ein Bild vom Bau der deutschen Anteile für das derzeit modernste Frachtflugzeug der Welt, den A400 M. Der soll nach dramatischen Verzögerungen bei der Entwicklung anspruchsvoller Systemkomponenten wie der Motorsteuerung endlich ab 2014 an die Transportgeschwader der deutschen Luftwaffe ausgeliefert werden.

„Kaum einer macht sich klar, wie komplex die Technik dieses modernsten Transportflugzeugs Europas wirklich ist“, fasst Rainer Casdorff, Vizepräsident für den Bereich Cargo und Frachter bei Airbus Bremen zusammen und erntet bei seinen Gästen breite Zustimmung. Deren Bild vom Militärtransportflugzeug A400 M hat sich beim Rundgang durch die Bremer Fertigungshallen stark gewandelt: Anstelle der mitgebrachten Zweifel an einem völlig aus dem Zeitplan gekommenen Rüstungsprojekt überwiegt nun die Bewunderung für einen High-Tech-Flieger mit ungeahnten zivilen und militärischen Fähigkeiten. Technik, die begeistert. „Es gibt ihn tatsächlich“, wie Andreas Mattfeldt nicht ganz ernst gemeint ergänzt. Der Flieger müsse aber jetzt auch schnell in die Luft.
Der hiesige CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Haushaltsausschusses nutzt das Einführungsgespräch mit Airbus-Vizepräsident Kai Brüggemann und dem Leiter des EADS Büros Bonn, Norbert Kolvenbach, um den Finger in die Wunde zu legen. Die Bundesregierung werde aus den bitteren Fehlern bei den derzeit laufenden Beschaffungsprojekten A400 M und dem Hubschrauber Tiger lernen. „So eine Vertragsgestaltung wird es mit uns nicht noch einmal geben. Dann kaufen wir eben fremd ein“, wiederholt Mattfeldt deutlich das, was ihm sein Verteidigungsminister Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg mit auf den Weg gegeben hat. „Es ist unseren Soldaten in Afghanistan nicht länger zuzumuten, auf Hubschrauber und Transportmaschinen zu verzichten, die sie dringend benötigen.“
Das ist schmerzhaft für die Airbus-Vertreter am Tisch, aber nicht ganz neu. Sachstand sind die Nachverhandlungen von März diesen Jahres. Ergebnis: Es bleibt bei den Bestellungen, die beteiligten Länder schießen einen Milliardenbetrag nach und leisten eine Vorauszahlung auf zu erwartende Exporterlöse von weiteren 1,5 Milliarden Euro.
Die Airbus-Repräsentanten zeigen Verständnis für die Haltung des Bundestagsabgeordneten, machen aber auch deutlich, dass ein großer Teil der Verzögerung gerade deshalb aufgetreten sei, weil die A 400 M nach Willen der auftraggebenden Länder (Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Spanien, Türkei und Großbritannien) mit einer solchen Fülle und Komplexität von Neuerungen bestückt werden und über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen soll. „Zulieferer von Systemkomponenten, wie der komplizierte Motorsteuerung, aber auch unsere Verantwortlichen für die Integration solcher Komponenten ins Flugzeug haben sich bei der Berechnung der Entwicklungs- und Produktionszeit völlig verschätzt“, gab Vizepräsident Kai Brüggemann unumwunden zu. Die digitale Triebwerksteuerung ist beispielsweise mehr als doppelt so komplex wie beim Eurofighter, wie Norbert Kolvenbach bestätigt. Diese komplexe Steuerung sei unter anderem notwendig, um extreme Manöver im Tief- und im Langsamflug zu ermöglichen: Das gezielte Absetzen von schweren Lasten und die Luftbetankung von Hubschraubern. „Die sogenannte militärische Missionsavionik steht dabei im krassen Widerspruch zur zivilen Avionik“, erklärte Brüggemann den Politikern. Da wo dem Piloten eines zivilen Passagierflugzeuges bei Bodenannäherung das Warnsignal (Pull up) gegeben werde , erfordere die militärische Mission unter Umständen extreme Tiefflüge in Bodennähe. „Das in Einklang zu bringen, ist eine Meisterleistung der Techniker.“
Letztlich aber ziele die Entwicklung auf die Zuverlässigkeit des A400 M im harten Militäreinsatz. Deshalb gehe für Airbus Sicherheit vor übertriebener Schnelligkeit. „Das würde sich in der Praxis sofort rächen“, bestätigt ein Diplom-Ingenieur.
Mattfeldt nahm zudem zur Haushaltslage des Bundes Stellung. Er ließ nach Gesprächen mit dem Verteidigungsminister keinen Zweifel daran, dass auch der Verteidigungshaushalt erhebliche Kürzungen hinnehmen müsse. Einige geplante Anschaffungen würden gekürzt oder ganz gekippt. „Verteidigungsminister zu Guttenberg hat aber deutlich gemacht, dass die Bundeswehreinheiten im Ausland, insbesondere in Afghanistan, von Kürzungen ausgenommen werden.“
Axel Knoerigs Schwerpunkt liegt bei der politischen Arbeit im Bundestag im Ausschuss für Bildung und Forschung „und da eben besonders auf der Forschung“, wie er im Gespräch unterstreicht.
Damit sei er am Airbus-Standort Bremen absolut richtig, freute sich Vizepräsident Kai Brüggemann bei der Vorstellung des Werkes. Forschung und Ingenieurleistung seien in Bremen konzentriert worden – insbesondere für den Bereich der Flügel- und Cargo-Komponenten. Dabei kämen alle Entwicklungen für den Transportbereich (Cargo) aus Bremen. Auch bei der Materialforschung sei Airbus-Bremen mit seinen Partnern beispielsweise dem Fraunhofer-Institut, der Uni und Voith ganz weit vorne: „Alles, was in diesen Bereichen in einen Airbus eingebaut wird, wird hier geprüft und von uns freigegeben.“ Es sei wichtig sowohl die Engineering-Kompetenzen, als auch die Fertigungskompetenz vor Ort zu erhalten.
Das hörten beide Bundestagsabgeordneten gerne und versprachen darüber zu berichten, „auch im Haushaltsausschuss“.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 01.06.2010