Berlin ist eine Reise wert

Berlin ist eine Reise wert

Geschäftige Tage im politischen Berlin
Zwischen Eurokrise und Büroalltag / Der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt empfängt seine erste Besuchergruppe aus dem Wahlkreis

Von Uwe Dammann Landkreis Verden·Berlin.
Es sind geschäftige und hektische Tage im politischen Berlin. Es geht darum, den Euro zu retten. Und so hetzen die Kanzlerin, die Minister, die Abgeordneten und Referenten von Termin zu Termin. Und er ist mittendrin: Andreas Mattfeldt aus Langwedel, seit 2009 CDU-Bundestagsabgeordneter.
Er vertritt den Wahlkreis 35 Verden/Osterholz und dreht als Neuling im Parlament gleich mit am großen politischen Rad. Mattfeldt ist Mitglied des wichtigen Haushaltsschusses, der derzeit die Milliardenkredite zur Euro-Rettung bewilligen muss.
Ausgerechnet in dieser hektischen Woche, die voll gepfropft ist mit Terminen, kommt Besuch aus dem Wahlkreis. Zum ersten Mal kann Mattfeldt eine 50-köpfige Besuchergruppe aus Verden/Osterholz empfangen, die über sein Abgeordnetenbüro vom Bundespresseamt zu einer dreitägigen politischen Bildungsreise eingeladen wurde.

 

Die Einladung gehört zur obligatorischen Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments. Theoretisch soll damit jeder Bürger die Möglichkeit haben, sich vor Ort über die Arbeit „seines“ Abgeordneten zu informieren. Jeder Bundestagsabgeordnete kann zwei Abordnungen im Jahr einladen. Mattfeldt als Mitglied des Haushaltsausschusses sogar vier. Warum die „Haushälter“ dieses besondere Privileg genießen, kann keiner so richtig beantworten. Es ist halt so.
Aus dem Wahlkreis haben so in diesem Jahr rund 200 Bürger das Vorrecht, sich den Politikalltag in Berlin anzuschauen. In der ersten Gruppe, die Mattfeldt eingeladen hat, sind viele Wahlkämpfer, die sich besonders für ihn ins Zeug gelegt haben, informiert Wahlkampfmanager Jürgen Weber, der als „Reiseleiter“ die Gruppe begleitet. Anschließend, das betont Weber ausdrücklich, sollen Einladungen aber an alle Bürger gehen. „Auch an die ohne CDU-Parteibuch“, so Weber.
Diesmal mit dabei sind Vorsitzende der Gemeindeverbände der CDU, aber auch viele politisch Aktive der Jungen Union, die gerade ihre schriftlichen Abiturarbeiten absolviert haben. Nun besichtigen sie tagsüber das Parlament, Ministerien und Gedenkstätten und gehen abends in Berlin „auf die Piste“.
Dazu haben viele der Älteren nicht mehr die Power. Die Tour ist wahrlich keine Vergnügungsreise. Das Programm, das vom Bundespresseamt in Abstimmung mit dem Abgeordneten vorgelegt wird, ist proppenvoll. Zeit für Shopping oder einen kleinen Bummel am Kurfürstendamm oder „Unter den Linden“ gibt es da nicht. Der Mitarbeiter des Presseamtes, der die Gruppe begleitet, ist zwar ein gebürtiger Schwabe, legt aber Wert auf preußische Disziplin. Freundlich bestimmt und vor allem pünktlich wird jeder Programmpunkt abgehakt. Und wer nicht mit will oder kann, hat sich gefälligst vorher abzumelden. Gleich zum Auftakt gibt es die Besichtigung des Parlaments: Der Referent informiert darüber, dass der Bundesadler zweieinhalb Tonnen wiegt und deshalb im Volksmund „fette Henne“ heißt. 7000 bis 10000 Touristen besuchen täglich die begehbare Reichstagskuppel, die damit nach dem Kölner Dom zur zweitgrößten Touristenattraktion Deutschlands geworden ist. Natürlich steigt auch die Verden/Osterholzer Reisegruppe in die Kuppel, hat aber zuvor ein einstündiges Informationsgespräch mit dem Abgeordneten. Andreas Mattfeldt kommt zwischen Fraktions- und Ausschusssitzungen vorbei, ist aber sofort präsent, stellt sich auf die Besucher ein und berichtet über seine Arbeit. „In Langwedel war ich als Bürgermeister der Herrscher aller Reußen und bekannt wie ein bunter Hund. Hier war ich anfangs nur ein Abgeordneter unter 622 Parlamentariern. Das war schon eine Umstellung“, bekennt er.

Doch das ist Schnee von gestern. In dem halben Jahr hat sich Mattfeldt offensichtlich in der Fraktion einen Status erarbeitet und ist auch als Redner gefragt. Er hat mehrfach im Bundestag am ÖPult gestanden (beispielsweise gestern zur Haushaltssituation der Kommunen) und erwähnt ganz nebenbei, aber so, dass es auch jeder mitbekommt, dass er mit Kanzlerin Merkel Essen war. Finanzminister Schäuble trifft er als Mitglied des Haushaltsausschusses, der die Gelder verteilt, sowieso öfter. „Taktiererei halte ich für falsch“, sagt Mattfeldt und wirbt für gradlinige Politik. Die werde am ehesten vom Volk verstanden. Die Arbeit im Bundestag mit den täglich neuen Meldungen über weitere Milliardenlöcher und der Debatte um den Schuldenabbau ist „nicht vergnügungsteuerpflichtig“, sagt der 40 Jahre alte Abgeordnete. Dennoch sieht er die Republik im Vergleich zu anderen Ländern gut aufgestellt. „Wir haben bereits einige unserer Hausaufgaben erledigt“, betont er und meint damit die Einführung der Rente mit 67 oder die Kürzung des Weihnachtsgeldes für Beamte, die allesamt dazu beigetragen hätten, dass die deutschen Finanzen besser aussähen, als die der Nachbarländer.

Flugs ist für die Besucher die Stunde mit ihrem Abgeordneten vorbei. Der eilt zum Ausgang, lässt die Fahrbereitschaft, die jedem Abgeordneten zusteht, links liegen und schließt sein Klappfahrrad auf, mit dem er zur Besprechung in sein Büro fährt. Ähnlich wie der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Carl-Detlev von Hammerstein radelt Mattfeldt im Regierungsviertel von Termin zu Termin und nutzt die Fahrbereitschaft nur, wenn er zügig zu einem weiter entfernten Ort muss. Mattfeldt freut sich darüber, dass er den Klimaanlagen aus dem Bundestag entronnen ist und fährt gern ein paar Kilometer an der frischen Luft. Am Abend stößt der Abgeordnete dann noch einmal zu der Besuchergruppe aus dem Wahlkreis und zieht mit einigen um die Häuser. Die Nacht ist kurz: Die erste Sitzung am nächsten Morgen folgt um acht. Um 13 Uhr trifft er die Gruppe in der Niedersächsischen Landesvertretung, nicht weit vom Potsdamer Platz, und kündigt einen Programmpunkt an, den er für alle Besucher – insbesondere Schülergruppen – einbauen wird: Eine Führung in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, der ehemaligen Zentrale der Untersuchungshaftanstalt der Stasi. Mattfeldt hält nämlich gar nichts von „Ostalgie“, die mit Spree-Gürkchen ein verklärtes Bild der früheren DDR zeichnet. „Hier kann man anschaulich nachvollziehen, welch Unrechtsstaat die DDR war“, sagt er. Frühere Untersuchungshäftlinge der Stasi, die wegen Republikflucht oder politischer Flugblätter für Monate ins Gefängnis mussten, empfangen die Besuchergruppe aus Verden/Osterholz und führen sie an Gefängniszellen vorbei und durch Verhörraume und schildern die Umstände, unter denen die Menschen bis zum Ende der DDR unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert waren.
Den Abschluss der politischen Rundreise durch Berlin bildet ein Besuch im Familienministerium. Mattfeldt ist für den Haushalt des Ministeriums mit verantwortlich und zweiter Sprecher der Fraktion für Arbeit und Soziales – beides Bereiche, die von diesem Ministerium mit bedient werden. Aber auch die populäre Familienpolitik ist derzeit vom allgemeinen Sparzwang nicht mehr ausgeschlossen.
„Wir haben hier 145 Posten im Bereich der Familienförderung, die derzeit allesamt überprüft werden“, sagt der Referent des Ministeriums. Inhaltlich trifft er sich da mit dem Abgeordneten aus dem Kreis Verden. „Wir können keinen Bereich bei unseren Sparbemühungen mehr außen vor lassen. Manches aus dem Bereich der Familienförderung ist schlicht überflüssig“, meint auch Mattfeldt. An diesem Abend muss er Bürokram erledigen „Ich will mich noch mit meiner Rede für den Bundestag beschäftigen. Die schreibe ich grundsätzlich selber“, sagt er und radelt wieder zu seinem Abgeordnetenbüro im Berliner Regierungsviertel.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Verden Stadt und Land Seite: 5 Datum: 22.05.2010