Besseres Label trotz höheren Verbrauchs

 Neuwagen werden nach dem „Kühlschrank-Modell“ von A bis G klassifiziert / Warncke: Etikettenschwindel

Ähnlich wie bei Elektrogeräten müssen Neu- und Vorführwagen seit dem 1. Dezember mit Effizienzlabel gekennzeichnet werden – von A bis G. Die Verordnung stößt nicht nur bei Umweltverbänden und Automobilclubs auf Unverständnis und Kritik, auch Autohändler Wolf Warncke aus Tarmstedt weiß beispielsweise nicht, wie er seinen Kunden erklären soll, dass größere und schwerere Wagen im allgemeinen besser bewertet werden als Kleinwagen – trotz eines wesentlich höheren Verbrauchs. Denn bei der Einstufung ist nicht allein der Ausstoß von Treibhausgasen entscheidend, sondern vor allem das Gewicht des Fahrzeugs.
Von PETER HANUSCHKE Lilienthal·Tarmstedt·Bremen. Ein A auf grünem Hintergrund – klar, wer die Umwelt schonen will, entscheidet sich für ein Produkt, das mit diesem Energie-Effizienzlabel gekennzeichnet ist. Was bei Kühlschränken bereits seit 1998 gilt, wurde jetzt auch bei Neu- und Vorführwagen eingeführt: Seit dem 1. Dezember müssen diese Fahrzeuge mit einem farbigen Effizienzlabel gekennzeichnet sein. Die Klassifizierung stößt bei Umweltverbänden und dem ADAC auf massive Kritik. Vorwurf: Das Gewicht des Personenwagens ist zum entscheidenden Kriterium bei der Einordnung in verschiedene Effizienz-Klassen gemacht worden.
 

 

Dadurch kann ein Kleinwagen ein schlechteres Effizienzlabel bekommen als ein schwerer Geländewagen – obwohl er wesentlich weniger verbraucht. Danach bekäme sogar ein Kampfpanzer Leopard 2 das gleiche Label E wie ein VW Golf 1,4 oder ein Porsche Cayenne Hybrid wird mit dem Label B besser eingestuft als Kleinwagen, die nur die Hälfte verbrauchen.
„Das ist für mich Etikettenschwindel“, sagt Wolf Warncke vom VW-Autohaus in Tarmstedt. „Wir als Händler müssten diese Klassifizierung eigentlich erklären können, aber wir können es gar nicht.“ Der Kunde werde letztlich in die Irre geführt. Das gehe zu Lasten der Verbraucherinformation.
CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Mattfeldt (Wahlkreis Verden/Osterholz) kann „sehr gut verstehen“, dass die Novellierung der PKW-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung auf den ersten Blick merkwürdig erscheine, „aber wir dürfen hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern es müssen die Wagen einer Klasse miteinander verglichen werden.“ Ein schwerer Familien-Van könne nicht mit einem Kleinwagen in einen Topf geworfen werden. Derjenige Wagen erhalte eine gute Bewertung, der innerhalb seiner Fahrzeugklasse am effizientesten sei. Das sei das gleiche Prinzip wie bei der Kennzeichnung für Kühlschränke – „diese erhalten die Effizienzeinstufung auch in Abhängigkeit ihres Nutzinhaltes.“ Sinn dieser Verordnung sei es, so Mattfeldt, die Hersteller zu motivieren, für alle Fahrzeugklassen effiziente Fahrzeuge zu entwickeln.
Wie motiviert die Autohersteller sein werden, gerade den hohen Verbrauch bei schweren großen Autos zu reduzieren, wird sich zeigen. Denn schon jetzt werden diese Fahrzeuge größtenteils mit den Labeln A, B und C gekennzeichnet, wie eine Übersicht des ADAC zeigt. Der ADAC spreche sich zwar auch für eine Energieverbrauchskennzeichnung für Autos nach dem „Kühlschrank-Modell“ aus, aber die tatsächlichen CO2-Emissionen müssten im Bewertungsschema stärker berücksichtigt werden.
Nils Linge, Pressesprecher vom ADAC Weser-Ems: Für den ADAC werde der eigentliche Sinn, über die Energieeffizienz eines Fahrzeugs zu informieren, durch die nun geltende Verordnung ausgehebelt. Die Einstufung auf Basis des Fahrzeugleergewichts bevorzuge schwere Pkw und sorge für große Verunsicherung bei den Autofahrern. Verbrauchsarme Kleinwagen werden vielfach als „rot“, große Pkw mit hohem Verbrauch als „grün“ gekennzeichnet.
Es gebe natürlich Kunden, die von vornherein wissen, dass für sie nur ein großer Wagen in Frage komme, weiß Autohändler Warncke aus der Praxis. Für die könne die Label-Kennzeichnung in der Tat hilfreich sein, falls sie innerhalb dieser Klasse unter ökologischen Gesichtspunkten vergleichen wollen. Allerdings habe sich das Käuferverhalten insgesamt verändert. Viele Kunden seien von der Groß- auf die Mittel- oder von der Mittel- auf die Kleinwagenklasse umgestiegen – eben wegen des in der Regel geringeren Verbrauchs. Auf jeden Fall habe sich die Schnittmenge vergrößert. Es gebe immer weniger Kunden, die nur in der einen Wagenklasse nach ihrem Fahrzeug suchen. Warncke: „Die Höhe des CO2-Ausstoßes war und ist für viele ausschlaggebend – an dieser Angabe haben sich immer mehr Kunden orientiert, sie ist eine reale Bezugsgröße, wenn man sich unter dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit für ein Auto entscheiden möchte.“ Jetzt erhalte das Fahrzeug der Mittelklasse ein besseres Label als das der Kleinwagenklasse. Wem das helfen soll, sei ihm schleierhaft – vielleicht der Automobilindustrie.
Dass gerade diese Branche großen Einfluss auf die Gestaltung der Label-Kennzeichnung hatte, davon geht die Deutsche Umwelthilfe aus. Allerdings verweigere diesbezüglich das Bundeswirtschaftsministerium die Auskunft. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, sagte dieser Zeitung: „Wir werden an dieser Stelle nicht locker lassen, bis im Detail offen liegt, wie die Bundesregierung bei der Novellierung der Energieverbrauchskennzeichnung den deutschen Autoherstellern zu Diensten war und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Klimagütesiegel für übermotorisierte Spritschlucker Arm in Arm mit den betroffenen Herstellern aushandelte.“ Ein solcher Skandal könne auch in Europa nicht einfach hingenommen werden. „Wir hoffen jetzt auf eine weise Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs“, sagt Resch.
 

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Osterholzer Kreisblatt Seite: 9 Datum: 17.12.2011