Betreuungsgeld ist Frauensache

Vor der Bundestagswahl hatte das Betreuungsgeld – oder die „Herdprämie“ – wie Kritiker sie nannten, kontroverse Diskussionen ausgelöst. Im Landkreis Verden haben inzwischen 402 Menschen Anträge auf die Leistung gestellt. Es zeigt sich: Das Betreuungsgeld ist Frauensache.
VON ANNA ZACHARIAS UND JAN RAUDSZUS

Landkreis Verden. Seit dem 1. August 2013 können Eltern Betreuungsgeld beantragen, wenn sie ihre Kinder nicht in eine öffentliche Kinderbetreuung geben. Im Landkreis Verden haben diese Leistung bislang 402 Menschen beantragt. In ganz Niedersachsen wurden bis zum 31. Dezember des vergangenen Jahres 5163 Leistungsberechtigte gezählt. Laut Statistischem Bundesamt wurde das Betreuungsgeld deutschlandweit 64 877 Mal bewilligt.
402 Anträge sind beim Landkreis Verden bis Mitte April eingegangen, sagt Sprecher Ulf Neumann. „15 davon wurden abgelehnt, unter anderem, weil die Kinder vor dem Stichtag – 1. August 2012 – geboren wurden“, erklärt er. Von allen Antragstellern sind 353 Frauen und 34 Männer. Damit sind über 91 Prozent der Bezieher Mütter, nur 8,7 Prozent sind Väter. Damit liegt die Männer-Quote in Verden immerhin höher als in Niedersachsen, wo es nur 6,9 Prozent sind. Am niedrigsten ist die Quote mit 1,7 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt wird deutlich: Das Betreuungsgeld ist überwiegend Frauensache.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Christina Jantz sieht diese Verteilung kritisch: „Durch das Instrument des Betreuungsgeldes geht es wieder in die Richtung, dass sich die Mütter um die Kinder kümmern.“ Aber Jantz übt auch grundsätzliche Kritik am Betreuungsgeld: „Ich finde es wichtiger, Betreuungsmöglichkeiten auszubauen“, sagt die Abgeordnete.

Ihr Kollege von der Linkspartei, Herbert Behrens, sieht das ähnlich: „Von den 92 000 Euro, die bisher als Betreuungsgeld ausgezahlt worden sind, hätte man die eine oder andere Erzieherin bezahlen können.“ Er hält das mit dem Betreuungsgeld verbundene Familienbild für rückwärtsgewandt. Das ist aber nicht der einzige Kritikpunkt: „Das Betreuungsgeld begünstigt vor allem diejenigen, die nicht darauf angewiesen sind.“ Eltern, die ihre Kinder gerne zu Hause betreuen würden, hätten keine Wahlfreiheit, wenn die Unterstützung nicht ausreiche, um den Verdienstausfall auszugleichen, kritisiert Behrens.

Die SPD hatte das Betreuungsgeld im Bundestagswahlkampf massiv kritisiert. Nach der Wahl trägt sie das umstrittene Gesetz mit. „Wir hätten im Koalitionsvertrag gerne eine andere Regelung festgelegt, aber das war leider nicht möglich“, sagt Christina Jantz. „Wenn sich die Mehrheitsverhältnisse künftig ändern, kommt es aber bestimmt wieder auf die Agenda.“

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt kritisiert das Betreuungsgeld – vor allem aus haushaltspolitischer Sicht. „Wir dürfen allerdings nicht die Eltern gegeneinander ausspielen“, sagt er. „Es darf nicht heißen: Böse Eltern behalten ihre Kinder zu Hause, gute geben sie in die Krippe.“ Die Argumentation, das Geld hätte besser in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden sollen, findet Mattfeldt falsch: „Kinderbetreuung ist nicht Aufgabe des Bundes.“ Trotzdem habe dieser mehrere Milliarden an Investitionsunterstützung bereitgestellt. „Darüber hinaus bekommen die Kommunen heute 770 Millionen Euro im Jahr für die Bewirtschaftungskosten. Ab 2015 wird diese Summe auf 815 Millionen jährlich steigen“, sagt der Haushaltspolitiker.

Im Kreis Verden sind bislang insgesamt rund 125 000 Euro Betreuungsgeld gezahlt worden. „Dies ist allerdings nur ein Zwischenausschnitt, denn wir haben noch kein ganzes Jahr voll“, sagt Neumann.

Das Betreuungsgeld macht derzeit 100 Euro monatlich pro Kind aus. Ab August steigt dieser Betrag auf 150 Euro. Allerdings müssen die Kinder nach dem 31. Juli 2012 geboren worden sein. Gezahlt werden Bezüge ab dem 15. Lebensmonat.

aus Verdener Nachrichten vom 15.04.2014