Schwarz-Gelb boxt Betreuungsgeld durch

Das Betreuungsgeld kommt im Sommer 2013, im Gegenzug ist dafür voraussichtlich schon zu Beginn des nächsten Jahres mit der Praxisgebühr Schluss. Darüber hat der Bundestag gestern abgestimmt. Es war eine hochemotionale Debatte.

VON TOBIAS LANGENBACH
Berlin. Immer wieder waren Schmährufe zu hören, mehrmals mussten Politiker am Rednerpult neu ansetzen. Der Bundestag hat sich gestern zum vorläufig letzten Mal mit dem Betreuungsgeld befasst, um das es ein langes Gezerre gegeben hatte. Vor rund einer Woche hatte sich der Koalitionsausschuss von Union und FDP darauf geeinigt, die Leistung an Eltern, die ihre kleinen Kinder zu Hause erziehen, 2013 einzuführen. Die Opposition war dagegen Sturm gelaufen.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schaltete deswegen gleich am Anfang der Parlamentsdebatte auf Angriff. „Schwachsinnig“ nannte der die Einführung des Betreuungsgeldes. Kinder aus bildungsfernen Schichten würden so vom Besuch einer Kindertagesstätte abgehalten, außerdem schaffe es für Frauen Anreize, erst spät in den Beruf zurückzukehren, was ihre Arbeitsmarktchancen mindere. Die Grüne Ekin Deligöz warf der Koalition vor, Kindern die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe zu nehmen.
Kanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU), die das Gesetz erarbeitet hatte, schwiegen im Parlament zum Betreuungsgeld. Seitens der Koalition überließ man die Verteidigung des Gesetzes lieber eher weniger Bekannten. So befand der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, dass das Betreuungsgeld nun mit einer von der FDP forcierten Bildungsspar-Komponente ein „Maximum an Bildungschancen“ ermögliche. Der CDU-Abgeordnete Markus Grübel betonte, es gehe darum, unterschiedlichen Vorstellungen zur Kinderbetreuung Rechnung zu tragen.
310 Abgeordnete stimmten schließlich für die Einführung des Betreuungsgeldes, das somit ab dem 1. August 2013 ausgezahlt wird. Dagegen stimmten 282 – unter den Nein-Sagern war die FDP-Politikerin Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Im Vorfeld der Abstimmung hatte es Spekulationen gegeben, ob Pieper mit ihrer Abweichung ihren Job gefährde. FDP-Kollege Torsten Staffeldt aus Bremen kommentierte, er respektiere Piepers Aktion, gleichwohl müsse sie als Regierungsmitglied Entscheidungen mittragen. Andreas Mattfeldt (Langwedel) von der CDU betonte, dass das Regieren nicht einfacher werde, wenn sich eine Regierungsvertreterin nicht an vereinbarte Beschlüsse halte.
Neben dem Betreuungsgeld kümmerte sich der Bundestag noch um ein anderes umstrittenes Projekt: die Praxisgebühr. Einstimmig votierten die 584 Abgeordneten dafür, die Gebühr ab dem 1. Januar 2013 abzuschaffen. Gestritten wurde vorher aber trotzdem noch: FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr, dessen Partei die Einführung des Betreuungsgelds an die Abschaffung der Praxisgebühr gekoppelt hatte, sprach von einer baldigen „spürbaren Entlastung“ der Patienten. Der Linkspartei-Abgeordnete Harald Weinberg bezeichnete die Themenverknüpfung als „obskuren Tauschhandel“. Die neue Gebührenregelung muss noch den Bundesrat passieren.
Ein Video zum Thema finden Sie unter
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Emotionale Debatte im Bundestag über neue Leistung für Eltern / Alle Abgeordneten stimmen gegen Praxisgebühr
c/c: Weser-Kurier 12.11.2012