Brennpunkt: Kernkraftausstieg

 Senioren-Union lud in den „Heidkrug Von Lutz Peter Kaubisch Osterholz-Scharmbeck. „Das war, im Schweinsgalopp, der Ritt durch die Energiepolitik“, schloss Dr. Maria Flachsbart ihren Vortrag. Die Bundestagsabgeordnete, Fachfrau im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, reiste gestern aus Berlin an, um vor der Kreis-Senioren-Union über „Chancen und Risiken der Energiewende“ zu reden. Die Welt wird neu geordnet in Sachen Atomausstieg und neuer Ressourcen. Die Veranstaltung im „Heidkrug“ war dagegen ein Heimspiel.
Zirka 100 CDU-Mitglieder rückten im Saal der Buschhausener Gaststätte zusammen, um sich anzuhören, welche Folgen der Atomausstieg bis 2022 hat. Das erste unkalkulierbare Risiko sei die Deutsche Bahn, entschuldigte sich Flachsbart für die 20-minütige Verspätung. Irgendwo zwischen der Hauptstadt und Hannover habe sich der Zug aus dem Fahrplan getrödelt. Humoriger Beifall; dann nahm Flachsbart Fahrt auf. Unter den Zuhörern: Andreas Mattfeldt, Bundestagsmitglied im Wahlkreis Verden/Osterholz. Die Kommunalwahlkandidatin Marie Jordan (31) unterstrich durch ihre Anwesenheit die Tatsache, dass der Besuch aus Berlin auch Wahlkampf in eigener Sache ist.
Der Ausstieg aus der Kernkraft bedeute die bisher tiefgreifendste Veränderung in der deutschen Industriegesellschaft, hatte Hans-Ludwig Demann, Vorsitzender der Seniorenunion, zuvor konstatiert. Auf die Fragen zur Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, sozialen Ausgewogenheit oder Wachstumsverträglichkeit habe die Kanzlerin bisher keine ausreichenden Antworten gegeben: „Was geschieht, wenn der ehrgeizige Umstieg in neue Energien nicht rechtzeitig gelingt? Werden die Klimaschutzziele dann stillschweigend ad acta gelegt?“ Stichworte: der CO2-Ausstoß aus Kohle- und Gaskraftwerken sowie der Stromexport aus Frankreich im großen Stil seit der Abschaltung der sieben ältesten deutschen Meiler.
Die Bundespolitikerin ging auf die Fragen in einem komplexen Fachreferat ein. An den Anfang stellte sie eine neue Weltordnung – mit neuen Herausforderungen. Klimawandel habe es seit je her gegeben, aber nicht im Zusammenhang mit einer Weltbevölkerung, die gerade die Sieben-Milliarden-Grenze überschreite. Globale Überschwemmungen, Dürre, Völkerwanderungen und Flucht machten Klimaschutz unabdingbar. Der Atomkraft komme die Funktion einer Brückentechnologie zu, bis die „anderen Energiesysteme“ Wind und Sonne technisch ausgereift seien – die Herausforderung für die „deutsche Ingenieurskunst“. Flachsbart: „Bei Wind und Sonne können Sie nicht am Montagmorgen die Energie hochfahren, damit die großen Fabriken, in deren Nähe die Atomkraftwerke gebaut wurden, mit der Produktion beginnen können.“ Ziel sei es, den Anteil erneuerbarer Energien in den nächsten zehn Jahren auf einen Anteil von 30 bis 35 Prozent zu steigern. In diesem Zusammenhang sei auch der „verbrauchsnahe Ausbau“ des Stromnetzes unabdingbar.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 31.08.2011