Buhnen-Abbau in der Aller in Kritik / Mattfeldt fordert neutrales Gutachten

Sportfischer sprechen von Massaker
von Heinrich Kracke

Verlangt vom Wasserschifffahrtsamt ein neutrales Gutachten zum Abbau der Buhnen in der Aller:

der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (Mitte). Jürgen Luttmann, Dr. Rainer Becker, Hella Bachmann und Wolfgang Kracht schließen sich der Forderung an.

Foto: Kracke

Verden – Das Millionenprojekt AllerVielfalt mit einem renaturierten Strom von der Mündung bis zur Kreisgrenze kommt nicht zur Ruhe. Der nächste Anlass zur Kritik liegt am Ufer des Hauptflusses. Es geht um die aufgehäuften Steine, die ins Wasser ragen, es geht um die Buhnen. Die Sportfischer laufen Sturm gegen den Abbau der kleinen Bauwerke und zusätzlich der Steinschüttungen, der zunächst auf einer Länge von 400 Metern auf Wahneberger Seite geplant ist. Besonders gerüffelt: das Wasserschifffahrtsamt Verden (WSA), das die Maßnahmen zeitnah angekündigt hat. Der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) hat sich der Angelegenheit angenommen. „Das WSA wird durch den Haushaltsausschuss des Bundestages finanziert. Da kann nicht irgendwas irgendwie durchgeführt werden. Ich erwarte, dass vor dem Baubeginn neutral erwiesen ist, dass es nicht zu einer Verschlechterung an der Aller kommt.“

Sportfischer-Vorstand Dr. Rainer Becker sieht die schweren Maschinen schon vor seinem geistigen Auge. „Die Baggerschaufel wird sich tief in den Fluss graben und kommt jedes Mal mit einem Gemisch aus Steinen und Wasser nach oben, in dem es vor lebenden Tieren nur so wimmelt. Mehr als 30 Fischarten halten sich hier auf, viele davon geschützt, und wen der Bagger erwischt, der wird es nicht überleben.“ Becker spricht schon von einem „Massaker, das hier angerichtet wird“.

Bereits im November hatten sich die Sportfischer in einem zweiseitigen Schreiben an das WSA gewandt. Wurde der ökologische Ist-Zustand im Projektgebiet vor Beginn durch ein Gutachten erfasst? Gibt es eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes durch ein unabhängiges Institut? Wie soll bei den Baggerarbeiten der zwingend vorgeschriebene Schutz von FFH-Arten sichergestellt werden? Aus diesem Holz sind die Fragen geschnitzt, die der Verband mit Sitz am Verdener Bollwerk schriftlich stellte. Eine Antwort aus der Behörde von der Hohen Leuchte habe er nie erhalten.

Das Sportfischer-Vorsitzendenduo mit Wolfgang Kracht und Rainer Becker wird nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein dreiseitiges Memo zu den Vorteilen von Buhnen und Co auf den Tisch zu legen. Mit den Steinschüttungen, vor gut hundert Jahren zur Verbesserung der Schifffahrt auf der Aller angelegt, habe sich eine ideale Umgebung für Wasserbewohner entwickelt. „In den Steinlagen die vielen Gänge und Höhlen, in den Buhnen die unterschiedlichen Strömungen, mal gar keine Fließgeschwindigkeit, dann flaches Wasser, das sich leicht erwärmt, all das hat sich zum idealen Lebensraum für eine Vielzahl Organismen entwickelt.“ Eine Lebenswelt mit durchaus mehreren Hundert Arten, darunter Muscheln, Schnecken, Planarien, Fadenwürmer, Kleinkrebse, Insekten und Insektenlarven. Die Fischbestände, die hier ideale Laichplätze und Jungfischhabitate vorfänden, profitierten von der Nahrungsgrundlage direkt.

Zwar komme es auch ohne Buhnen und Co zu Laichplätzen, dies aber nur an wenigen Standorten im gesamten Aller-Verlauf und längst nicht in jenem Umfang, der sich jetzt ergeben habe. „In diesem Fall hat sich der Umbau zur Kulturlandschaft sehr positiv auf die Lebenswelt der Wasserbewohner ausgewirkt.“ Das belege auch ein Gutachten, das im Rahmen des Neubaus der Nordbrücke erstellt wurde. An den Pylonen der Altbrücke habe ein Ingenieurbüro auf nur wenigen Quadratmetern eine Artenvielfalt festgestellt, die ihresgleichen suche. Dies Habitat werde mit dem Neubau der Brücke behutsam umgesiedelt.

Mattfeldt erklärte, er fordere vom Wasserschifffahrtsamt eine wissenschaftliche Begleitung der Arbeiten. Seine Begründung: „Gerade bei der Aller-Naturierung treffen viele fachliche Argumente und viele Argumente von selbst ernannten Fachleuten aufeinander. Wir brauchen einfach Klarheit, was das wirklich Beste für den Fluss und dessen Bewohner ist.“ Und genau darauf werde er in der Leitungsetage der Behörde hinwirken. „Immerhin stehen hier zig Millionen Euro an Steuergeldern auf dem Spiel. Da dürfen wir nicht Gefahr laufen, die Lage am Ende noch zu verschlimmbessern.“

VAZ 02.02.2023