CDU-Vorsitzender Merz zieht bei Besuch in Achim kräftig vom Leder

„Regierungsversagen“

VON MICHAEL MIX

Friedrich Merz (Mitte) sucht auf dem Wochenmarkt an der Seite von Hella Bachmann und Andreas Mattfeldt das Gespräch mit Passanten. Foto: Mix

 

Achim – Bevor Friedrich Merz die Politik der „Ampel“-Regierung im Bund genüsslich zerpflückte, bekam der Vorsitzende der CDU bei seinem Besuch am Mittwoch in Achim erstmal gesteckt, wie fortschrittlich „seine“ Partei in der Region ticke. Jedenfalls im Hinblick auf die Geschlechterparität. „Die CDU im Landkreis Verden ist insbesondere im Vorstand viel weiblicher geworden“, ließ Andreas Mattfeldt den hohen Besuch aus Berlin beim Pressegespräch im Hotel Gieschen wissen. „Und das ganz ohne Quote“, ergänzte der Bundestagsabgeordnete. „Wir brauchen bald eine Männerquote“, witzelte Kreisvorsitzende und Landtagskandidatin Hella Bachmann schlagfertig. In jedem zweiten Wahlkreis in Niedersachsen schicke die CDU eine Frau ins Rennen um ein Direktmandat, unterstrich Merz.

Am 9. Oktober werde längst nicht nur über die künftige Politik zwischen Harz und Nordsee abgestimmt. Der gut aufgelegte Parteivorsitzende und Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der lockerer als vom Fernsehen gewohnt rüber kam, sprach von einer „Landtagswahl im Schatten der Energiekrise“.

Und die manage die Ampel aus SPD, Grünen und FDP alles andere als gut. Die Union mache der Bundesregierung „seit dem Frühsommer Vorschläge, was zu tun ist“, beispielsweise „die jetzt eingeführte Gaspreisbremse“, sagte der Oppositionsführer.

Denn die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei mehr als angespannt. „Viele Branchen stehen mit dem Rücken zur Wand“, äußerte Merz. Manch ein Unternehmen habe mit zehnfachen Kosten bei Gas und Strom zu kämpfen.

„Die Bundesregierung hat das Problem viel zu spät erkannt“, behauptete der Sauerländer. Seiner Meinung nach hätte es jetzt schon Lösungen bedurft statt erst noch wieder eine Kommission danach suchen zu lassen. Dabei sei es doch „Handwerk, sich mit den Ländern abzustimmen“. Stattdessen erfolge eine „Operation am offenen Herzen der Betroffenen“.

„Die Regierung hat die ausgestreckte Hand der Oppositon nicht ergriffen“, stellte Merz in Achim fest. „Vor Mitte / Ende November“ sehe er keine Lösungen. „Das ist aber für viele private Haushalte und vor allem für Betriebe viel zu spät.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck sei zwar „ein furchtbar netter Mensch“, schaltete sich Mattfeldt ein, aber das Handeln des Vizekanzlers mit grünem Parteibuch werde „von Ideologie bestimmt“. Der Langwedeler Abgeordnete und Duz-Freund von Merz warf die Stichworte „Kohlekraftwerke“ und „Atomkraftwerke“ in den Raum. Mit Angela Merkel habe er zwar bei verschiedenen Fragen über Kreuz gelegen, aber in der Finanzkrise 2009 /2010 sei die damalige Kanzlerin vorangegangen. „Die Menschen brauchen Mut“, erklärte Mattfeldt. „Und keinen Zauderer wie Scholz.“

Drohen in Deutschland angesichts der vielfältigen Probleme irgendwann gar italienische Verhältnisse? Nein, die Gefahr einer rechtspopulistischen Regierung sehe er hier „eher nicht“, antwortete Merz und verwies auf „größere innere Stabilität“ als beim südlichen Nachbarn. „Allerdings muss der Bundeskanzler sagen, wohin er das Land führen will“, legte der Unionsfraktionschef nach und warf der Ampel-Koalition nichts weniger als „Regierungsversagen“ vor.

Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine sei er „optimistisch, dass spätestens im Frühjahr Schluss ist“. Mit Hilfe von weiteren Waffenlieferungen aus dem Westen könne die russische Invasion beendet werden, glaubt Merz. Und auch daran, dass Putin „rational“ handele. Einen Atomkrieg hält der CDU-Politiker für unwahrscheinlich, da der US-Präsident und der chinesische Staatschef in diesem Punkt dem russischen Machthaber klare Ansagen gemacht hätten. „Wir müssen über diesen Winter kommen“, hielt Merz fest.

Und wer gewinnt die Niedersachsenwahl? Umfragen, in denen zuletzt die SPD drei Prozentpunkte vor der CDU lag, seien immer mit Vorsicht zu betrachten. „Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir auf Platz eins liegen“, sagte Merz. „Die Frage ist, ob es dann trotzdem für Rot-Grün reicht.“

Zum Abschluss seiner Stippvisite in Achim ging Friedrich Merz noch mit Hella Bachmann, Andreas Mattfeldt und Vertretern der Achimer CDU über den Wochenmarkt. Dabei suchte er auch das Gespräch mit Besucherinnen und Besuchern.

aus VAZ vom 06.10.2022