Der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt spricht über die Herausforderungen der neuen Regierung
Deutschland steckt in einer Rezession, es herrscht Krieg in Europa und die USA rütteln an der internationalen Ordnung: Die Umstände zu Beginn Ihrer fünften Legislaturperiode unterscheiden sich deutlich von den vorangegangenen. Was erwarten Sie in den kommenden vier Jahren?
Andreas Mattfeldt: Meine fünfte Legislaturperiode wird für mich die herausforderndste, weil die globalen Krisen massiv sind. Ich erinnere an den Krieg in der Ukraine direkt vor unserer Haustür. Gleichzeitig müssen wir natürlich auch noch Probleme lösen, was die Bezahlbarkeit von Energie und vor allen Dingen auch die Versorgungssicherheit anbelangt. Das ist alles nicht ganz ohne. Es wird darauf ankommen, dass die kommende Regierung auch im internationalen Kontext mehr liefert, als wir das unter der Ampel gesehen haben. Es ist wichtig, dass Einigkeit herrscht in der zukünftigen Koalition, dass man einen klaren Kompass hat, wie man das Land in zehn, fünfzehn Jahren sehen will und dass man den Mut zu Entscheidungen hat, die zwingend erforderlich sind, auch wenn es dafür mal in den Medien oder auch in der Bevölkerung Gegenwind geben könnte.
Wie groß ist der Respekt vor den Aufgaben?
Man hat immer Respekt vor Aufgaben. Krisen gab es aber immer schon, ich habe die Finanzkrise ab 2009 mitgemacht, ich kenne andere Krisen. Respekt ist immer da. Aber wir dürfen keine Angst haben. Dieses Land ist in vielen Bereichen gut aufgestellt, und ich bin überzeugt, wir werden die Probleme lösen, die derzeit vor uns liegen.
Lässt sich unter diesen Umständen noch Politik gestalten? Oder diktieren die äußeren Zwänge das Regierungshandeln?
Der Einfluss Deutschlands in der Welt hat in den letzten dreieinhalb Jahren gelitten. Gleichwohl schaut die Welt auf uns. Das hat sie immer schon getan, weil wir auch in den vergangenen Jahrzehnten unter unterschiedlichen Regierungskonstellationen vielfach kluge Entscheidungen für die Weltwirtschaft und auch für die Sicherheit der Welt getroffen haben. Deutschlands Gewicht ist groß, und ich setze da sehr auf Friedrich Merz, dass er auch im internationalen Geflecht die Interessen Deutschlands und Europas vertritt.
Für die von Friedrich Merz gewünschte Einigung bis Ostern braucht es schnell Kompromisse. In welchen Bereichen kann das gelingen, wo erwarten Sie Probleme?
Da aller Voraussicht nach nur eine Koalition mit den Sozialdemokraten infrage kommt, bin ich hoffnungsvoll, dass wir bei der Bekämpfung der illegalen Migration sehr schnell zu Entscheidungen kommen werden. In dieser Frage ticken SPD-Wähler auch ähnlich wie CDU-Wähler. In der Vergangenheit ist vieles an der Blockadehaltung der Grünen gescheitert. Ich hoffe, die SPD ist klug genug, hier zu handeln, zumindest wenn ich mir die Personen anschaue, die jetzt in der Fraktion agieren. Große Herausforderungen werden wir beim Bürgergeld haben, und das bereitet mir große Sorgen. Das Bürgergeld ist zu einer Art bedingungslosem Grundeinkommen verkommen. Ich hoffe sehr, dass auch die Sozialdemokraten erkennen, dass wir ausschließlich nur die Menschen unterstützen müssen, die sich wirklich nicht helfen können. Aber bei denen, die in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen, es aber einfach nicht wollen, müssen wir eine härtere Gangart einlegen.
Union und SPD scheinen zum Erfolg verdammt. Was bedeutet das für die Verhandlungen und die Regierungsarbeit?
Wir sehen in Österreich, was passiert, wenn Regierungskoalitionen in der Mitte scheitern. Das stärkt das rechtsextreme Lager. Wobei wir unterscheiden müssen: Ich halte die AfD in vielen Bereichen für völkisch und nationalsozialistisch, aber nicht ihre Wähler. Die 20 Prozent der Bürger, die am Sonntag eine rechtsextreme Partei gewählt haben, deren Sorgen müssen sich auch zu einem gewissen Teil in einem Koalitionsvertrag zwischen der Union und der SPD wiederfinden, wenn wir es ernst damit meinen, dass wir diese Ränder nicht weiter stärken wollen. Dänemark hat gezeigt, dass es möglich ist, die Ränder wieder auf ein Normalmaß zu schrumpfen, wenn die politische Mitte liefert. Deshalb würde ich nicht sagen, dass wir zum Erfolg verdammt sind – wir müssen aber liefern! Unser Land braucht eine stabile und verlässliche Regierung.
Sollte der alte Bundestag noch die Schuldenbremse reformieren, damit Deutschland mehr Geld für Verteidigung hat?
Bei der Bundeswehr haben wir in der Tat eine Flanke. Ein Staat, der sich nicht vernünftig verteidigen kann, ist kein souveräner Staat. Ich bin mir relativ sicher, dass wir hier kluge Möglichkeiten finden, dass wir auch das Bundeswehrvermögen beziehungsweise die Bundeswehrausrüstung vernünftig finanziell dargestellt bekommen. Es gibt da Möglichkeiten, aber mit mehr Schulden oder einer Reformierung oder Aussetzen der Schuldenbremse ist erst einmal noch keinem gedient. Wir müssen mit den Einnahmen hinkommen, die wir haben, und die sind immens in unserem Land. Ich glaube, das kriegen wir auch hin, wenn wir bereit sind, Reformen auch im Sozialwesen hinzunehmen und auch einfach mal wirklich explizit in den einzelnen Titeln der Ministerien schauen, ob wirklich alles in der Breite gefördert werden muss, was wir uns derzeit in unserem Land leisten. Da ist, das weiß ich als Haushälter, enormes Einsparpotenzial vorhanden.
Natürlich kann man bei der Schuldenbremse im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit anders agieren. Das wäre auch losgelöst von der Berechnung zur Schuldenbremse über ein sogenanntes Sondervermögen möglich. Aber ich betone es noch einmal: Ich möchte erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. Dass wir zukünftig mehr Geld ausgeben müssen für unsere Verteidigung, ist nach meinem Eindruck breiter Konsens in unserem Land, das müssen wir hinbekommen.
Welche Themen sollten für die neue Regierung Priorität haben? Wo braucht es schnell Entscheidungen?
Die Gretchenfrage wird sein, wie wir eine Initialzündung zum Wachstum der Wirtschaft hinbekommen. Die Wirtschaft ist verunsichert, sie hat keine Planungssicherheit, keine Investitionssicherheit. Hier müssen schnell Entscheidungen getroffen werden. Wir müssen auch schauen, ob die Förderinstrumentarien im Bund zielführend sind oder ob wir uns auf die Programme fokussieren, die in der Lage sind, Wirtschaftswachstum zu generieren. Das muss nicht immer nur mit Geld zu tun haben. 2009 haben wir mit dem vereinfachten Vergabeverfahren gute Erfahrungen gemacht, das es Kommunen ermöglicht, Aufträge einfacher und schneller zu vergeben. Dann haben wir natürlich Fragen im Bereich soziale Sicherung. Müssen wir da Reformen haben? Wir haben dann aber auch große Herausforderungen im Gesundheitswesen, die mir Sorgen machen, und wo ich auch noch nicht die große Lösung parat habe. Aber wir müssen darüber reden, wie wir kranke Menschen in Würde behandeln können und wie wir in Würde in unserem Land alt werden können. Das ist eine Herausforderung, die wir nur gemeinsam, vielleicht sogar auch nur gemeinsam mit Oppositionsparteien, lösen können, weil diese Frage wirklich alle etwas angeht.
Das Interview führte Felix Gutschmidt.
ZUR PERSON
Andreas Mattfeldt (55)
hat bei der Wahl 2009 erstmals das Direktmandat im Wahlkreis Osterholz-Verden geholt und als Mitglied der CDU-Fraktion ein schwarz-gelbes Bündnis und zwei Große Koalitionen erlebt. 2021 fand er sich auf der Oppositionsbank wieder und steht nun vor seiner fünften Legislaturperiode – voraussichtlich erneut in einem Bündnis mit der SPD.
VN 27.02.2025