Dokumentationspflicht bei Mindestlohn: Bürokratie-Monster oder Notwendigkeit?

VON STEPHEN KRAUT UND FELIX FRANK
Bremen. Bedeutet die Einführung des Mindestlohns einen unzumutbaren bürokratischen Mehraufwand für Arbeitgeber, die die Arbeitszeit der davon profitierenden Mitarbeiter nun genau erfassen müssen? Die sogenannte Dokumentationspflicht sorgt im Rahmen des neuen Mindestlohn-Gesetzes für reichlich Diskussionsstoff.

Der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (Wahlkreis Verden-Osterholz) etwa sieht die für die Dokumentation extra aufgewendete Zeit in keinem Verhältnis zur eigentlich erbrachten Arbeit. „Das kann die Personalabteilung gar nicht mehr leisten“, berichtet der CDU-Politiker von Erfahrungen aus seinem eigenen Betrieb. „Ich spreche mich damit nicht gegen den Mindestlohn aus“, stellt er klar. Aber vor allem geringfügig Beschäftigte könnten so eher von Entlassungen betroffen sein. Dass Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sich bis zum Sommer einen „ehrlichen Überblick“ verschaffen will, kritisiert Mattfeldt ebenfalls: „Wenn Frau Nahles diesen Überblick noch nicht hat, versteht sie ihr Geschäft nicht.“

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber kritisiert die Dokumentationspflicht beim Mindestlohngesetz: „Der unnötige bürokratische Aufwand durch das Mindestlohngesetz und die Aufzeichnungspflichten belasten die Unternehmen“, so ein Sprecher. Die BDA fordert zügig eine Überprüfung der Vorschriften. Elisabeth Motschmann, Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete, lobt den Mindestlohn, „nur Feinkorrekturen müssen noch vorgenommen werden.“

Marieluise Beck (Grüne) sieht dagegen keinen Mehraufwand durch die Arbeitszeiterfassung, sondern bezeichnet dies als eine „ganz selbstverständliche Praxis“. „Natürlich kann es in der Startphase an der einen oder anderen Stelle noch gewisse Schwierigkeiten geben“, räumt die Bremer Bundestagsabgeordnete ein. „Wenn aber schon binnen weniger Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Ausnahmeregelungen gefordert werden, klingt das danach, als wolle man den Mindestlohn am liebsten wieder gleich abschaffen.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das ähnlich. Annette Düring, DGB-Vorsitzende der Region Bremen-Elbe-Weser, hält die Debatte über zu viel Bürokratie beim Mindestlohn für „vollkommen übertrieben“. Ihrer Meinung nach sei der Mehraufwand „nicht riesengroß“. Außerdem habe jeder Arbeitgeber die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Überstunden zu schützen. Durch die Dokumentation werde jetzt erst deutlich, wie viel Arbeitszeit bislang unbezahlt blieb. Für Düring sei die aufkommende Diskussion über eine Bürokratisierung ein Vorwand, den Mindestlohn nicht umsetzen zu wollen. „Das ist unverschämt. Wir halten an der Dokumentation fest.“

„Diese Diskussion sollte zu diesem Zeitpunkt nicht geführt werden“, meint Uwe Beckmeyer. Dem SPD-Bundestagsabgeordneten aus Bremerhaven geht es zunächst um die Wirksamkeit des Gesetzes. Korrekturen könnten zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen. Und Herbert Behrens, Linken-Bundestagsabgeordneter aus Osterholz-Scharmbeck, ergänzt: „Ich verstehe nicht, warum mit einem Mal die Frage der Dokumentation der Arbeitszeit so hochgepuscht wird. Auch in der Vergangenheit war es so, dass Arbeitszeit und Bezahlung zusammenpassen mussten.“

Aus Weser Kurier und Verdener Nachrichten vom 04.02.2014