Ein Saal wie im Jahr 1620

Ein Saal wie im Jahr 1620

136000 Euro aus Bundesmitteln des Denkmalschutz-Sonderprogramms fließen zusätzlich in Erbhof-Renovierung

Von Christian Butt Thedinghausen. In weniger als zwei Jahren soll der Erbhof in Thedinghausen, vor allem der Renaissance-Saal, wieder so aussehen, wie er vor knapp 200 Jahren einmal ausgesehen hat. Damals wurde das 1620 vom Bremer Erzbischof Johann Friedrich von Holstein-Gottorf für seine Geliebte erbaute Lustschloss an allen Ecken und Enden umgebaut. Die Sanierungsarbeiten werden auf etwa 1,4 Millionen Euro veranschlagt. Gestern übergab der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt stellvertretend für den Kulturstaatsminister Bernd Neumann einen Scheck über weitere 136000 Euro aus den Bundesmitteln des Denkmalschutz-Sonderprogramms an Samtgemeindebürgermeister Gerd Schröder. Bereits im April flossen aus der ersten Auflage des Programms 274000 Euro.

„Kulturhistorisch ist der Erbhof eines der wertvollsten Gebäude im Landkreis. Bei uns gibt es nur wenige solcher Schmuckstücke, deswegen setze ich mich für die Erhaltung des Erbhofs ein“, sagt Andreas Mattfeldt. „Wir können uns wirklich freuen“, fügt Schröder hinzu. Ihn und seinen Bauamtschef Roland Link hat die anstehende Millionen Euro teure Renovierung viel Arbeit und Herzblut gekostet. „Es gab viele Besprechungen und Begehungen. Unsere gute Finanzierung hat schlussendlich auch die letzten Kritiker von unserem Vorhaben überzeugt“, sagt der Samtgemeindebürgermeister.

Noch laufen die Ausschreibungen für die Renovierungsarbeiten. Wenn es nach dem Willen von Gerd Schröder geht, sollen sich daran auch hiesige Firmen beteiligen. „Für einige Arbeiten kommen nur Fachfirmen in Frage. Aber Tischler-, Fliesen- und Maurerarbeiten können auch von lokalen Handwerkern erbracht werden“, sagt Gerd Schröder. Er schätzt, dass bis zu zehn Firmen zum Zuge kommen könnten.
Im Oktober sollen die ersten Handwerker ihre Arbeit aufnehmen. Demnächst wird das Gebäude dafür eingerüstet und mit einem zweiten Dach ausgestattet. Dieses soll verhindern, dass während der Bauarbeiten Feuchtigkeit in das Gebäude eindringt. Fertig saniert soll es frühestens im Herbst 2013 sein.

„Der Erbhof ist aufgrund seiner geschichtlichen und künstlerischen Vergangenheit das bedeutendste profane Baudenkmal im Landkreis Verden“, sagt Gernot Fischer vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Er hat die Restaurierungskonzeption verfasst. Äußerlich wird an dem Baudenkmal wenig verändert. Lediglich die roten Dachpfannen sollen gegen dunkle Schieferschindeln getauscht und der Dachstuhl gerichtet werden. „Das ist immer noch der erste und inzwischen 400 Jahre alt“, sagt Samtgemeindebürgermeister Gerd Schröder.
Die größten Veränderungen finden im Renaissance-Saal statt. Im 18. Jahrhundert wurde der Raum mit einer abgehängten Decke versehen. Sie hat die alten Balken von 1620 mit ihrer Malerei geschützt. Diese soll nun für alle wieder sichtbar gemacht werden. Während der Arbeiten sollen auch Wände eingerissen werden, um die ursprüngliche Größe des Saals von 120 Quadratmetern wieder herzustellen. Der Boden wird mit handgefertigten Fliesen versehen. Außerdem bekommt der große Saal neue handgeschnitzte Fenster. Jedes sieht, wie die historischen Vorbilder, anders aus. Ein Kamin, dessen Teile in der Gartenmauer und in einer Brunnenwand entdeckt wurden, soll den Raum zusätzlich schmücken. Sind alle Arbeiten ausgeführt, sieht der Saal wieder so aus, wie von 1620 bis vor 200 Jahren. Er bietet Platz für 100 Personen und soll für Konzerte und Vorträge genutzt werden.

Nur ein Detail passt nicht ins altertümliche Bild. Architekt Lennart Hellberg hat einen Fahrstuhl eingeplant, der in einem südlichen Vorbau entstehen soll. Das Obergeschoss mit seinem Trauzimmer ist von den Umbauarbeiten nicht betroffen. Dafür entstehen im Erdgeschoss ein Empfang mit Garderobe, zusätzlich Sanitärräume, eine Teeküche und eine Künstlergarderobe. Während der Bauarbeiten soll auch die Heizungsanlage gegen ein neues Modell ausgetauscht werden. Der Erbhof erhält eine Brandmeldeanlage, die mit der Verdener Rettungsleitstelle verbunden ist. Ferner werden, so die Vorschrift, die Rettungswege aus dem Gebäude deutlicher gekennzeichnet.
Sämtliche Arbeiten werden von kleinen Firmen aus dem ganzen Bundesgebiet erledigt, die sich auf das Restaurieren alter Gebäude spezialisiert haben. Deswegen sind in den kommenden Monaten wohl nie mehr als 20 Bauarbeiter auf der Baustelle anzutreffen. Bereits im April begrüßte Gerd Schröder viele Geldgeber für den Erbhof in den historischen Räumen. 814000 Euro an Fördermitteln wurden damals offiziell übergeben: 274000 Euro aus dem Bundesmittel-Sonderprogramm Denkmalschutz. 200000 Euro kamen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Mit 40000 Euro hat sich die Niedersächsische Denkmalpflege beteiligt und der Kreis Verden steuert 300000 Euro bei.

Durch die gestern von Andreas Mattfeldt übergebenen Bundesmittel sinken die Eigenmittel der Samtgemeinde Thedinghausen auf 250000 Euro.
Großes Lob richtete Gerd Schröder an vier Stiftungen. Diese steuern durch Spenden 200000 Euro zur Erbhof-Sanierung bei. 75000 Euro investiert die Niedersächsische Sparkassenstiftung, 70000 Euro kommen von der Bremer Landesbank. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz zahlt 30000 Euro, und die Stiftung der Kreissparkasse ist mit 25000 Euro dabei.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 18.08.2011