Einblick in leere Terminals

Besuch auf Dauerbaustelle Flughafen Berlin-Brandenburg / Eröffnung nicht in Sicht

Das Gelände des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) macht einen gespenstischen Eindruck: Dort, wo laut ursprünglichem Zeitplan schon seit Monaten täglich Zigtausende Passagiere abfliegen oder ankommen sollten, werkeln Bauarbeiter. Ansonsten dominieren leere Terminals, unbenutzte Parkhäuser und Rollfelder ohne Flugzeuge das Bild.
VON TOBIAS LANGENBACH

Berlin. Irgendwo wird gehämmert. Gleichmäßig und laut schallt es durch die riesige Halle, abrupt unterbrochen vom Kreischen einer Säge. Männer mit knallroten Schutzwesten und Baustellenhelmen sind über Pläne gebeugt, laufen umher oder schleppen Holzbalken. Die Politiker Andreas Mattfeldt (CDU) und Wolfgang Koppelin (FDP), die in der Halle herumstehen, sind optisch von den Bauarbeitern nicht zu unterscheiden: Auch sie tragen Helm und Gummistiefel, haben sich Schutzwesten übergestreift. Die Aufschrift darauf: „BER – Flughafen Berlin-Brandenburg.“

Denn das ist der Hauptstadtflughafen: eine riesengroße Baustelle, momentan eine Geisterlandschaft mit leeren Parkhäusern, unbewohnten Hotels, Rollfeldern ohne Flugzeuge. Immer wieder war die Eröffnung verschoben worden. Als Grund angeführt wurden technische Pannen und Baumängel. Zuletzt hieß es auch, der Flughafen in seiner bisherigen Form sei zu klein geplant. Bereits vor Eröffnung wird nun über ein weiteres Terminal für 500 Millionen Euro nachgedacht.

Politisch hatte das Desaster Konsequenzen: Der bisherige Chef der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz, ist Mitte Januar entlassen und kommissarisch durch Horst Amann ersetzt worden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) musste seinen Platz als Flughafen-Chefaufsichtsrat räumen, der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) übernahm. Jüngst wurde gemeldet, Wilhelm Bender, Ex-Vorstandsvorsitzender des Frankfurter Flughafens, solle den BER als neuer Chef übernehmen. „Kein Kommentar“, kam aus der Flughafen-Pressestelle.

Ein Eröffnungstermin des Flughafens ist aber noch immer nicht in Sicht. 4,3 Milliarden Euro kostete das Großprojekt – bisher. Der Bund hält Anteile am „Milliardengrab“, wie der BER in Berlin bereits gerne genannt wird, er finanziert das Ganze mit. Wie viel Geld muss noch hineingepumpt werden, damit der Betrieb losgeht? Andreas Mattfeldt und Jürgen Koppelin wollen genau das wissen. Sie sitzen im Haushaltsausschuss des Bundestages, lassen sich von Baumanager Francis Ganet herumführen. „Wir gehen den Weg, den ein Passagier gehen würde“, sagt Ganet zu Beginn der Tour – es klingt, als ob dies noch in weiter Ferne liegt.

Dabei macht die Empfangshalle, in der die Männer stehen, bereits einen soliden Eindruck: Holzvertäfelte Check-in-Schalter stehen bereit, Computer auf den Tischchen sind mit einer Schutzfolie verpackt. Schilder mit Pfeilen und Buchstaben weisen den Weg zur Sicherheitskontrolle und Abfluggate. Die einzigen, die sie ab und zu beachten und polieren, sind die Bauarbeiter. „Das sieht doch schon gut aus“, lobt Mattfeldt, und Koppelin nickt mit dem Kopf. Baumanager Ganet stimmt zu.

Dann wird es kompliziert: Ganet erklärt komplexe technische Zusammenhänge, Systeme wie Brandschutz und Entlüftung, die ineinandergreifen und für die Sicherheit der Passagiere wichtig sind. Die aber noch nicht funktionieren und so eine Eröffnung verhindern. Vor allem die Planung ist das Problem. „Uns fehlt noch die Grundlage“, sagt Ganet. Die alte, entlassene Planungsmannschaft sei noch nicht fertig gewesen mit ihrer Arbeit, jetzt müsse neu angesetzt werden. Der Baumanager, selbst erst seit Dezember 2012 auf dem BER, spricht unaufgeregt, weiß um den öffentlichen Druck, der auf dem Projekt lastet. „Wann wird das hier fertig?“ fragt Koppelin schließlich. „Das kann ich noch nicht sagen“, entgegnet Ganet. „Dafür bräuchte ich eine Glaskugel.“

Weiter geht es, vorbei an Check-in-Schaltern und diversem Baustellengerät, zu Pavillon-Anbauten. Sie sind noch völlig Rohbau, auf dem Boden liegen Kabel herum. Die Anbauten waren ursprünglich gar nicht geplant, erzählt Ganet. Wachsende Bevölkerungszahlen in der Region hätten aber dafür gesorgt, dass auch am Flughafen während des Bauens die Kapazitätsfrage hochgekommen sei. Ob der Flughafen nun wirklich zu klein sei, müsse nun erst einmal geklärt werden – vielleicht durch eine Studie.

Die Männer gehen weiter. Erst zu den Abfluggates, dann – abweichend von der Passagierroute – nach unten zu den Gepäckbändern. An der Wand lehnt ein Paar Ski. Es dient als Probegepäck, das beim wöchentlichen Wartungsbetrieb auf das Band gelegt wird. „Was kostet das alles?“, fragt Koppelin wieder. Er habe Angst, dass der Flughafen ein Fass ohne Boden werde. Zudem gehe es ja auch um Schadensersatz-Forderungen gegen die BER-Betreibergesellschaft – zum Beispiel von Fluggesellschaften, die nicht starten könnten. Oder von Blumenläden und Gastronomiebetrieben, die nicht verkaufen können. Garnet nickt, er hat verstanden. Doch seriös sei das alles noch nicht zu beantworten, sagt er – erst müsse eine Liste erstellt werden, um Mängel vollständig zu dokumentieren.

Am Ende des Rundganges sind die Politiker zufrieden mit dem Überblick, den sie sich über die Situation auf der Baustelle verschafft haben. Es sei gut gewesen, selbst einmal Einblick erhalten zu haben, sagt Mattfeldt. Entwicklungen könne man so nun besser beurteilen.