Energiewende: Schwerpunkt von Theorie auf Praxis verlagern

Energiewende: Schwerpunkt von Theorie auf Praxis verlagern

Andreas Mattfeldt am 15.05.17 in Berlin im Deutschen Bundestag. / Fotograf: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Ich fordere in der Energiewende eine stärkere Ausrichtung auf die Umsetzung praxisorientierter Programme. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen und mit klugen Entscheidungen, praxisorientierten Instrumenten und – wo nötig – gezielten Korrekturen die deutsche Energie- und Klimapolitik zu überarbeiten und neu zu strukturieren. Als Hauptberichterstatter für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) sowie den Energie- und Klimafonds (EKF), der auch zu achtzig Prozent vom BMWi bewirtschaftet wird, habe ich mich intensiv mit den bisherigen Programmen der deutschen Energie- und Klimapolitik auseinandergesetzt. Ich strebe mit dem Haushalt 2019 eine komplette Neuausrichtung und –strukturierung des EKF an, durch die der Schwerpunkt von der bisher eher klassischen, forschungsorientierten Ausrichtung stärker auf eine konkrete Umsetzung verlagert werden soll.

Die energiepolitische Bilanz der vergangenen rund zehn Jahre fällt gemischt aus. In vielen Bereichen sind die realen Programmerfolge hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben. Der Energie und Klimafonds, der sich aus CO2 Zertifikatserlösen der Industrie speist, soll dazu beitragen, dass Deutschland seinen Kohlendioxid-Ausstoß erheblich reduziert. Aber wenn wir ehrlich sind, waren wir hier, trotz immenser Ausgaben im EKF bisher noch nicht sonderlich erfolgreich. Ich bin fest überzeugt, dass wir hier mehr leisten können und auch müssen. Mein Ziel ist es, dass die in der Quantität fast schon inflationär und mit mehreren Milliarden Euro geförderten Forschungen nunmehr in reale Projekte umgesetzt werden. Das können zum Beispiel Stromversorgung inklusive Infrastruktur bei Schiffen in unseren Häfen sein, der Bau von Infrastruktur, um LKW-Trailer von der Straße auf die Schiene zu verladen, oder auch eine verstärkte Erneuerung von Heizungsanlagen, um nur ganz wenige Beispiele zu nennen.

Die mit dem erstmals im Jahr 2000 verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Weg gebrachte Energiewende ist eines der großen Zukunftsthemen der deutschen Politik. Auch wenn man über das Tempo und Ausmaß der initiierten Maßnahmen sicher unterschiedlicher Meinung sein kann, beschreibt die Energiewende einen generellen Strukturwandel, der aus technologischer und wirtschaftlicher Sicht früher oder später ohnehin stattfinden würde. Es ist aber an uns, Einfluss zu nehmen auf die Richtung und Geschwindigkeit, mit der diese wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen stattfinden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die von der Bundesregierung festgelegten Rahmenbedingungen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit sowie Marktwirtschaftlichkeit, die wir immer im Blick behalten müssen. Es nützt nichts, über Jahre hinweg zu theoretisieren und Erkenntnisse zu sammeln, wenn am Ende in der Praxis und damit beim Verbraucher wenig ankommt, keine ausreichende Nachfrage besteht oder nicht genügend CO2 eingespart wird.

Im Großen und Ganzen werden mit der Energiewende schließlich zwei zentrale Ziele angestrebt: die Senkung der CO2-Emissionen, die zu 85 Prozent durch fossile Energieträger verursacht werden, und der Ausstieg aus der Kernenergie. Erreicht werden sollen diese zwei Ziele durch die Abschaltung der Kernkraftwerke bis 2022, den Ausbau der erneuerbaren Energien auf mindestens 80 Prozent bei der Stromerzeugung bis 2050 und eine deutliche Erhöhung der Stromeffizienz mit einer Steigerungsrate von 1,6 Prozent pro Jahr. Um diese Ziele tatsächlich halten zu können, ist es zum einen unbedingt erforderlich, eine klare Strategie für die Energieversorgung nach der zukünftigen Beendigung des Braunkohleabbaus und dem Ausstieg aus der Atomenergie 2022 festzulegen. Zum anderen müssen auch der Export deutscher Technologien und die grenzübergreifende Kooperation im Bereich erneuerbare Energien, auch mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, vorangetrieben werden, da es Deutschland nicht im Alleingang vermag, dem Klimawandel zu begegnen. Hier liegen viele Chancen und Potential, das aber auch zeitnah umgesetzt werden muss.