„Erdgas-Industrie muss Abwasser reinigen“

Rund 3,45 Millionen Kubikmeter giftiges Abwasser aus der Erdgasförderung sind bis Dezember 2012 im Landkreis Rotenburg ins Erdreich gepumpt worden. Das Landesbergamt hat am 25. Juli 2011 im Bereich Söhlingen (Bohrstelle SOLG Z2) eine Benzol-Konzentration gemessen, die etwa 13 000 Mal über dem Trinkwassergrenzwert liegt. Auch hochgiftige „polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe“ wurden festgestellt. Die Naphthalin-Konzentration liegt 16 700 Mal über dem Grenzwert. Johannes Heeg sprach darüber mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt.

Wussten Sie, was so alles in die Erde verklappt wird? Teilen Sie die Sorgen jener Menschen, die fürchten, das Grundwasser könnte vergiftet werden? Wenn ja, warum wird das Verpressen nicht sofort gestoppt?

Ich teile vollkommen die Sorgen der Menschen, die das Verpressen des giftigen Lagerstättenwassers kritisch sehen. Ich selbst bin äußerst skeptisch, was dieses Verfahren angeht. Deshalb habe ich mich im Bundestag und besonders bei Bundesumweltminister Altmaier nicht nur dafür stark gemacht, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erdgasförderung allgemein verschärft werden, sondern ganz speziell diejenigen, die das Verpressen von Lagerstättenwasser betreffen. Ich habe die Speerspitze einer Gruppe von 80 CDU/CSU-Abgeordneten gebildet und die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für das Verpressen von Lagerstättenwasser, ein Verbot der Verpressung in Wasserschutzgebieten sowie ein Veto-Recht für die zuständigen Wasserbehörden, also die Kommunen vor Ort, gefordert und eine koalitionsinterne Einigung hierzu gefunden. Begleitet werden sollte diese Gesetzesinitiative von einem Verbot des Einbringens von giftigen Stoffen in das Erdreich.

Warum ist nichts draus geworden?

Leider hat die FDP dieses Verbot abgelehnt, so die ganze Initiative zu Fall gebracht, und wir mussten sie auf die nächste Legislaturperiode vertagen. Die Union und ich ganz persönlich werden an diesem Thema dran bleiben.

Warum gibt es immer noch ein Bergrecht aus der Kaiserzeit, das das Verpressen von giftigem Abwasser ermöglicht? Privatleute, die ihre Autowäsche auf dem eigenen Grundstück machen, können sich gewaltigen Ärger mit den Behörden einfangen – schließlich könnte ja das Grundwasser gefährdet werden. Wie sehen sie das?

In der oben angesprochenen Gesetzesinitiative zur Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erdgasförderung habe ich es geschafft, dass die rechtliche Grundlage so geändert werden sollte, dass auch für das Verpressen von Lagerstättenwasser eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Das hätte die Hürden erheblich höher gelegt, und die Auswirkungen auf die Umwelt hätten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ausführlich geprüft werden müssen. Leider ist, wie bereits gesagt, diese Gesetzesinitiative am Widerstand unseres Koalitionspartners gescheitert.

Niedersachsens grüner Umweltminister Wenzel wird von der eigenen Parteibasis kritisiert, weil er diese Art der Entsorgung neuerdings für unbedenklich hält. In der Opposition hat er noch anders gesprochen. Wie erklären Sie sich den Sinneswandel? Macht der Förderzins von jährlich mehr als 600 Millionen Euro, den das Land von den Erdgasfirmen kassiert, womöglich nachsichtig?

Die rot-grüne Landesregierung hat bereits direkt nach der Wahl mit der Vorlage des Koalitionsvertrags ihr wahres Gesicht gezeigt. Es ist immer einfach, Versprechungen im Wahlkampf zu machen. Wenn man dann in Regierungsverantwortung steht, ist die Welt eben nicht mehr nur schwarz-weiß. Die 600 Millionen Förderzins hätten an anderer Stelle im Haushalt eingespart werden müssen, und das hätte Einschnitte bedeutet, die auch die eigene Klientel hätte treffen können. Deshalb hat sich die rot-grüne Landesregierung wohl so schnell von den eigenen Wahlversprechen verabschiedet. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Genehmigung zum Verpressen von Lagerstättenwasser im Wasserschutzgebiet Panzenberg im Landkreis Verden, die 1999 erfolgte, ebenfalls in die Zeit einer SPD-geführten Landesregierung fällt.

Beim Landkreis Rotenburg sieht man das Verpressen des Lagerstättenwassers „sehr kritisch“. Man wisse nicht genau, wie es sich in diesen Bodenschichten ausbreitet, sagte uns ein Behördensprecher. Das sei wissenschaftlich noch nicht erforscht. Wie sehen Sie das?

Wie gesagt, ich sehe das Verpressen von Lagerstättenwasser in das Erdreich sehr kritisch. Deswegen stehen meine Partei und ich für das Verbot des Einbringens giftiger Stoffe in das Erdreich. Das gibt der Industrie den Anreiz, umweltschonendere Verfahren zur Förderung und ganz besonders zur Entsorgung des Lagerstättenwassers zu erforschen. Diese umweltschonenderen Verfahren werden sich sicher zum Exportschlager entwickeln.

Der Wilstedter Kreistagsabgeordnete Manfred Damberg hat zwei in der Region tätige Erdgasfirmen angezeigt. Er wirft ihnen eine schwere Umweltstraftat durch Einleitung von hochtoxischen Abwässern ins Grundwasser vor. Was sagen Sie dazu?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Umweltstraftat nachzuweisen ist, und nach meinen Informationen wurde bislang weder im Grund- noch im Trinkwasser Benzol oder ähnliches nachgewiesen. Ich halte es für sinnvoller, an der Wurzel anzusetzen und das Verpressen zu verbieten.

Laut Damberg wäre eine Reinigung des Lagerstättenwassers auf Trinkwasserqualität technisch möglich. Kann der Bund nicht einfach vorschreiben, dass Lagerstättenwasser gründlich gereinigt wird?

Ich höre in Gesprächen mit der Industrie auch, dass diese Aufbereitung möglich ist. Ich habe von der erdgasfördernden Industrie immer gefordert und wiederhole das weiterhin, dass sie ein Konzept zur Entsorgung dieser riesigen Mengen an belastetem Lagerstättenwasser aufstellen.

Wer kommt für die Schäden auf, die im Grundwasser durch Lagerstättenwasser entstehen können?

Ich gehe davon aus, dass hier nach dem Verursacherprinzip gearbeitet wird. Sollten Schäden im Grundwasser entstehen – was nach meinem Wissen bisher nicht erfolgt ist – muss der Verursacher dafür aufkommen.

Der Landkreis Rotenburg als Untere Wasserbehörde würde dem Verpressen von Lagerstättenwasser nur zustimmen, wenn die Unternehmen nachweisen, dass sie auf lange Sicht das Grundwasser nicht gefährden. Ein solcher Nachweis sei nicht möglich. Es bleibe immer ein Restrisiko. Was sagen sie dazu?

Deshalb stehe ich für ein Verbot der Verpressung von Lagerstättenwasser und fordere die Industrie auf, das Lagerstättenwasser zu reinigen.

Bei einer Lagerstättenleitung in Ihrer Heimatgemeinde Völkersen wurde festgestellt, dass Benzol durch Plastikrohre hindurch in die Umwelt gelangen kann. Das haben bis dahin die Fachleute nicht für möglich gehalten. Bleibt ein Restrisiko fürs Trinkwasser?

Bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung war klar, dass die PE-Rohre, aus denen das Benzol diffundiert ist, anfällig sind für Permeation. Dennoch wurde seinerzeit die Genehmigung ausgesprochen – übrigens nicht von einer CDU-geführten Regierung! Damit sich Derartiges nicht wiederholt, habe ich mich bei der eingangs erwähnten Gesetzesinitiative dafür eingesetzt, dass für alle Erdgasfördervorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben wird. Diese umfasst dann alle mit der Förderung des Erdgases zusammenhängenden Vorgänge, also auch den Transport des Lagerstättenwassers.