Flexibilität kontra Verkehrssicherheit

 In der Region gibt es unterschiedliche Meinungen zum Vorschlag der CDU, den Führerschein mit 16 einzuführen

Jugendliche sollen nach Überlegungen in der CDU schon mit 16 Jahren den Führerschein machen können. Das soll sie vor allem auf dem Land mobiler machen. In den Landkreisen stößt diese Idee aber nicht überall auf Begeisterung – auch nicht unter den Jugendlichen.
Von MELANIE ÖHLENBACH, Siegfried Deismann, KLaus Göckeritz, Peter Hanuschke und Irene Niehaus Landkreise Osterholz/Rotenburg. Autofahren mit 16 – für Niklas Bolz wäre das eine tolle Sache. „Man wäre viel mobiler und selbstständiger“, sagt der Schüler aus Osterholz-Scharmbeck, der in zwei Monaten seinen 16. Geburtstag feiert. Bislang braucht er das Auto zwar noch nicht: Die kurze Strecke zur Schule und zu den Proben seiner Band fährt er mit dem Fahrrad, und wenn er mal nach Bremen möchte, nimmt er den Zug. Dennoch kann er der Idee viel Positives abgewinnen: Die jugendlichen Fahrer könnten viel mehr Sicherheit beim Fahren gewinnen, wenn sie zwei statt bislang nur ein Jahr in Begleitung hinter dem Steuer säßen. „Man ist dann kein Grünschnabel mehr, wenn man mit 18 alleine Auto fahren darf“, meint er.
 

 Die Idee, dass Jugendliche schon mit 16 Jahren Auto fahren dürfen, stammt aus den Reihen der CDU. Damit sollen junge Menschen, die auf dem Land leben, mobiler werden. Vor allem Auszubildende hätten außer dem öffentlichen Nahverkehr meist keine andere Möglichkeit, zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, sagte gestern der Parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherministerium, Peter Bleser (CDU). Zudem sei es sicherer mit dem Auto zu fahren als mit dem Moped, was gesetzlich schon ab 16 Jahren erlaubt ist.
„Das kann man mal ausprobieren“, meint Udo Köppen, Vorsitzender der Lilienthaler Verkehrswacht, zu dem CDU-Vorstoß. Seine Zweifel hat er allerdings, was die Begründung betrifft. Wenn man die Situation von Jugendlichen im ländlichen Raum verbessern wolle, „dann sollen sie lieber den öffentlichen Nahverkehr besser ausbauen“, lautet die ganz persönliche Meinung des Verkehrsexperten, der auf die Bahnstrecken in der Region hinweist, die stillgelegt worden sind.
„Ich unterstütze diesen Vorschlag nicht“, sagt indes der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. Für das Fahren eines Autos bedürfe es einer Reife, „die nicht jeder Jugendliche schon mit 16 hat“. Das jetzige Modell, den Führerschein bereits mit 17 Jahren machen zu dürfen, habe sich bewährt – vor allem eben deshalb, weil die Jugendlichen nur fahren dürften, wenn sie von einem Erwachsenen mit Fahrerlaubnis begleitet würden und so von dessen Erfahrungen profitieren könnten.
Ähnlicher Ansicht ist auch Fahrlehrer Matthias Caesar. Man sollte diesen Vorschlag nicht weiter verfolgen, meint der Inhaber von Caesars Fahrschule in Lilienthal. Zudem mache es keinen Sinn, wenn die Jugendlichen laut CDU-Vorschlag nur maximal 80 Stundenkilometer außerhalb geschlossener Ortschaften fahren dürften. Das blockiere nicht nur den Verkehrsfluss, sondern könne auch zu gefährlichen Situationen führen, wenn beispielsweise solche Fahranfänger von Lastwagen überholt würden. Nach Meinung von Caesar macht es mehr Sinn, Ausnahmeregelungen zu erteilen. Schließlich gebe es auch 16-Jährige, die Trecker fahren dürften.
Sein Kollege Christoph Meyer steht der Idee indes nicht nur ablehnend gegenüber. Ein Führerschein mit 16 Jahren sei für alle jungen Leute im ländlichen Raum hilfreich, weil sie ihre Ausbildungsstelle mit dem Auto bequemer erreichen könnten, meint der Lilienthaler Fahrlehrer. Um Risiken durch schnelles Fahren zu minimieren, schlägt er vor, auf gedrosselte Motoren und mehr Kontrollen durch die Polizei zu setzen. Der Aufwand sei allerdings erheblich, gibt Christoph Meyer zu.
Auch Hartmut Stelljes, Fahrlehrer in Tarmstedt, befürwortet den Vorschlag, dass 16-Jährige Auto fahren dürfen – und zwar ohne Tempolimit. Die Autofahrten sollten sich allerdings auf den Weg zur Schule oder zum Ausbildungsplatz beschränken, findet der 52-Jährige. „Freizeittouren, etwa zur Disco, finde ich für 16-Jährige nicht richtig.“ Warum er für einen Fahrerlaubnis ab 16 ist, erklärt Stelljes damit, dass diese Altersgruppe schon jetzt Fahrzeuge wie Kleinkraft- oder Leichtkrafträder und sogenannte Klasse F-Fahrzeuge mit einer maximalen Geschwindigkeit von 45 Stundenkilometern lenken dürften.
Von diesen Vehikeln für 16-Jährige hält Rotenburgs Polizeisprecher Detlef Kaldinski jedoch nichts. „Wenn sie so langsam auf öffentlichen Straßen unterwegs sind, birgt das ein Gefahrenrisiko.“ Überhaupt habe sich das begleitete Fahren für 17-Jährige aus polizeilicher Sicht bewährt. Die Polizei Osterholz will indes den Vorstoß der CDU nicht kommentieren. „Wir werden mit den Regelungen umgehen, die uns an die Hand gegeben werden“, sagt Pressesprecher Jürgen Menzel.
Und was halten die Jugendlichen auf dem Land von der Idee? „Ich finde das ganz gut – auch wenn man nur 80 fahren dürfte“, sagt Joana Lohmann (16) aus Wilstedt. Sie hat bereits einen Mofa-Führerschein und will mit 17 Jahren auch Auto fahren dürfen. Denn die Busverbindungen auf dem Land sind ihrer Meinung nach schlecht – vor allem, wenn sie spontan Freunde besuchen, einkaufen oder mal nach Lilienthal oder Bremen fahren will.
Für Luca-Marie Schröter (16) aus Grasberg sind solche Fahrten eine Frage der Organisation. Sie hält nichts von einem Führerschein mit 16. „Ich denke, das Risiko ist zu hoch. Man kann viele Situationen noch nicht so gut einschätzen und setzt dann schnell mal das Auto gegen einen Baum.“ Sie kann aber verstehen, dass manch einer ihrer Altersgenossen anders darüber denkt. Selbst will sie aber auch auf den Führerschein mit 17 verzichten – weil sie nicht ohne einen Erwachsenen fahren dürfe. „Man ist damit ja auch nicht unabhängiger. Es ist nur ein Unterschied, auf welcher Seite man im Auto sitzt und was man tut.“
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 21.04.2012