Gegen das Vergessen

Mit einem selbst gebauten Heißluftballon aus der DDR fliehen – diesen Traum hatten die Familien Strelzyk und Wetzel Ende der 70er Jahre. Und dieser Traum sollte Wirklichkeit werden. Die meisten kennen einen der spektakulärsten Fluchtversuche aus der DDR aus Funk und Fernsehen. Für viele Gäste, die an einer Veranstaltung am Mittwoch Abend in Osterholz-Scharmbeck teilgenommen haben, heißt es ab sofort: wir kennen diese einmalige Geschichte aus der persönlichen Erzählung der Familie Strelzyk.

Vor zwei Jahren in Berlin kennengelernt, habe ich die Strelzyks in unseren schönen Heimatwahlkreis eingeladen, um von ihrer atemberaubenden Flucht 1979 zu berichten. Denn schon seit Jahren beobachte ich mit zunehmender Verärgerung, dass die Verklärung der DDR und des dort vorherrschenden Systems Überhand nimmt. Dabei, und das hat auch Peter Strelzyk immer wieder betont, ist kaum einer „der besseren Magarine wegen“ in den Westen gegangen. Vielmehr war es die alltägliche Unfreiheit, die so viele bewegt hat, ihr Glück im Westen zu versuchen – und nicht wenige sind bei ihren Fluchtversuchen verhaftet worden oder gar umgekommen. Kontrolle, Bevormundung, Bespitzelung – die Strelzyks haben eindrucksvoll geschildert, welche Geschehnisse das Fass zum Überlaufen brachten und wie sich die Planungen, einen Heißluftballon zur Flucht zu bauen, letztlich konkretisierten.

Besonders für die junge Generation, die die Teilung Deutschlands nur aus den Geschichtsbüchern kennt, ist die Begegnung mit Zeitzeugen wichtig. Deswegen haben Strelzyks auch mit den 10. Jahrgängen des Gymnasiums Ritterhude und des Gymnasiums am Markt Achim gesprochen. An den Reaktionen der Schüler während der Vorträge und den vielen gestellten Fragen konnte man deutlich erkennen: wenn Geschichte die Schulbücher verlässt, ein Gesicht bekommt, kann es richtig spannend werden. Und auch Doris und Peter Strelzyk, die seit Jahren Vorträge halten, sind sich einig: „Die jungen Leute interessieren sich nicht für Plakate und Bücher. Aber wenn wir da vorne sitzen und erzählen, dann werden alle munter. Dann begreifen viele erst, was für ein Unrechtsstaat die DDR war. Und genau deswegen erzählen wir unsere Geschichte immer wieder – gegen das Vergessen.“