Im Zeichen der Kinderrechte

1. September 2014
Pressespiegel

Von Peter von Döllen
Worphausen. Andreas Mattfeldt bat um einen Tag Bedenkzeit. Dann hatte der Bundestagsabgeordnete (s)ein Thema für unsere Reihe „Blick über den Gartenzaun“ gefunden. „Ich hatte mehrere Sachen, die ich im Landkreis Osterholz gut finde“, sagt der CDU-Politiker. Schließlich entschied er sich für die Janusz-Korczak-Geschwisterbücherei im Lilienthaler Ortsteil Worphausen.

„Marlies Winkelheide gibt Geschwistern von behinderten Menschen einen geschützten Raum. Hier stehen sie mal im Mittelpunkt, können sagen, was sie denken“, begründet Mattfeldt seine Wahl. „Das ist einzigartig in meinem Wahlkreis.“ Vergleichbares gebe es wohl in ganz Deutschland nicht. Die Art und Weise, wie der 44-Jährige das sagt, deutet an: Es ist ihm eine Herzenssache.

„Für Menschen mit Behinderungen wird inzwischen sehr viel getan. Das ist wichtig, richtig und gut“, erläutert Mattfeldt beim Treffen in der Bücherei. Zwischen Büchern und unzähligen Spielsachen erläutert er, warum auch etwas für Geschwister behinderter Kinder getan werden muss.
Sie würden oft zurückgestellt – weil „sich im Alltag meist alles auf das behinderte Familienmitglied fokussiert“. Mattfeldt sagt, er wolle das nicht kritisieren oder werten, aber: Geschwister können dadurch in schwierige Situationen kommen; fühlen sich zurückgesetzt, sind eifersüchtig, spüren Wut oder Mitleid, verstehen die Situation nicht oder können sich selbst nicht einordnen. Das wollen Marlies Winkelheide und ihr Team von derzeit 25 Ehrenamtlichen auffangen.

Die Bücherei gehört zum Bildungsangebot der sogenannten Geschwisterkinder-Initiative. Von Seminaren und regelmäßigen Gruppen über Beratungen und Schulungen bis hin zur Geschwisterbücherei reicht die Palette. Die Sozialwissenschaftlerin Winkelheide orientiert sich an der Pädagogik des jüdischen Polen Janusz Korczak, der eigentlich Henryk Goldszmit hieß. Der Pädagoge, Arzt und Schriftsteller setzte sich für Kinderrechte ein, forderte Erwachsene dazu auf, Kinder als vollwertige Menschen zu achten. Er starb vermutlich 1942 im Vernichtungslager Treblinka. In Anlehnung an Korczaks Gedanken installierte Winkelheide einen Geschwisterrat, der regelmäßig in Worphausen tagt.

Mattfeldt ist eines aufgefallen: „Marlies Winkelheide hat eine klare Sprache. Wenn jemand behindert ist, ist er behindert. Das solle nicht beschönigt, sondern auch benannt werden“, finde sie. „Auch behinderte Geschwister nerven oder sind mal aggressiv. Dann ist es menschlich, wenn mal klare Worte fallen“, pflichtet ihr der Politiker aus Langwedel bei. Im Leben gehe es nicht immer „politisch korrekt“ zu. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollten wissen, dass ihre Reaktionen und Gedanken normal sind und sie kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie die Dinge mal aussprechen.
Er habe per Zufall von der Geschwisterkinder-Arbeit erfahren. 2012 besuchte er erstmals mit der damaligen Niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan die Bücherei. „Ich war begeistert“, erinnert sich Mattfeldt. Er ist selbst ein erwachsenes Geschwisterkind: „Mein Stiefbruder ist behindert“, erzählt er. Darum unterstütze er Winkelheides Projekt-Idee gern.

Mattfeldt betont: Es kämen auch Kinder aus Bremen, der Umgebung und sogar aus ganz Deutschland dorthin. „Und das haben wir hier im kleinen Lilienthal.“ Ohne das Engagement von Winkelheide und anderen Ehrenamtlichen seien Seminar- und Büchereibetrieb kaum möglich. Doch die qualifizierten Angebote kosten Geld. Und: Alle Erstgespräche sind kostenlos. „Die Initiative ist da auf Spenden angewiesen“, sagt Mattfeldt deshalb.

Weitere Informationen im Internet gibt es unter der Adresse www.geschwisterbuecherei.de

Geschw.bücherei 14 08 29

 

  aus OHZ live vom 29.08.2014