Jobcenter gut oder schlecht?

Mattfeldt ist unzufrieden mit der ALV / Landkreis: Es gibt kein Beurteilungssystem

Wie gut ist das landkreiseigene Jobcenter „Arbeit im Landkreis Verden“ (ALV)? „Ziemlich schlecht“, sagt der Langwedeler CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. ALV-Chef Heiko Greitschus-Kock sagt dagegen: „Wir gehören bundesweit zu den Besten.“ Das Kuriose an der Sache: Beide berufen sich auf die selben Kennzahlen.
Von Johannes Heeg

Verden. Laut Mattfeldt steht die ALV im Ranking der Landkreise und Städte, die die Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze in die eigene Hand genommen haben, „ganz unten“. Die ALV belege innerhalb der 55 verglichenen Jobcenter immer hintere Plätze. „Im so wichtigen Bereich der Integration in Arbeit sogar den letzten Platz“, so Mattfeldt. Er habe daher bereits im Sommer ein Schreiben an Arbeitsministerin von der Leyen geschickt, in dem er sie gebeten habe, die Arbeit des Jobcenters Verden zu überprüfen. Er sei „nicht bereit, diese Umstände weiter hinzunehmen“, so der Abgeordnete.

Greitschus-Kock kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Nach übereinstimmender Meinung aller Fachleute ist das Kennzahlensystem nicht für ein Ranking geeignet. Bislang ist es weder dem Arbeitsministerium noch der Wissenschaft gelungen, ein Beurteilungssystem für Jobcenter zu entwickeln.“

Dafür sei Mattfeldts „substanzlose Kritik“ aber geeignet, die Motivation der ALV-Mitarbeiter zu untergraben, sagt Landrat Peter Bohlmann. „Das haben die nicht verdient, denn sie bemühen sich um jeden einzelnen Hartz-IV-Bezieher.“ Abgesehen davon sei die Bilanz der ALV in Wahrheit gar nicht schlecht. Die Jugendarbeitslosigkeit im Landkreis Verden gehöre zu den geringsten im gesamten Bundesgebiet.

Das sei kein Zufall, sagt Greitschus-Kock: „Wir setzen in diesem Bereich einen Großteil unserer Ressourcen ein. Das lohnt sich auf jeden Fall, denn so können wir Hartz-IV-Biografien am ehesten vermeiden.“ Doch leider sei derzeit noch ungewiss, ob Projekte für Schulverweigerer und die Projektwerkstätten wie Schlosserei, Malerei, Tischlerei sowie die Fahrradwerkstatt und die Hauswirtschaft so weiterbetrieben werden können wie bisher. Der Bund kürze seine Mittel für 2012 um weitere 1,2 Millionen Euro. Es sei zu befürchten, dass die bisherigen Spitzenwerte nicht zu halten seien.

Zu der von Mattfeldt als unzureichend monierten Integrationsquote sagt Greitschus-Kock: „Diese Kennzahl sagt nicht viel aus. Denn jeder Langzeitarbeitslose, der an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnimmt, gilt nicht mehr als arbeitslos.“ Zudem sei die ALV sehr erfolgreich mit ihrer „Zugangssteuerung“. Damit ist gemeint, dass Menschen durch sofortige Beratung und schnelle Reintegration gar nicht erst in das Hartz-IV-System hineinkommen. „Wir reduzieren damit von vornherein die Neuzugänge“, so Greitschus-Kock. Von April 2010 bis November 2011 sei die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 510 gesunken – laut ALV-Chef ein „bundesweiter Spitzenwert für die Abnahme von Hilfebedürftigkeit“. Nach seinen Worten sind derzeit Erlangen und Ravensburg dabei, eine Zugangssteuerung nach dem „Verdener Modell“ aufzubauen.

Wegen der erfolgreichen Zugangssteuerung gebe es auch nur vergleichsweise wenig Abgänge aus dem Hartz-IV-Bezug – was die Integrationskennzahlen verschlechtert. In diesen Kennzahlen seien auch nicht die Menschen enthalten, die ihre Teilzeit- in Vollzeitjobs umgewandelt haben oder die von Midi- auf Teil- oder Vollzeitbeschäftigung wechseln.
Beim Leistungsvergleich von Jobcentern müssten auch die Kosten betrachtet werden, betont Greitschus-Kock. Im Landkreis Verden bekomme jeder Hartz-IV-Bezieher im Schnitt 159 Euro im Monat. Das sei bundesweit der sechstniedrigste Satz. Andere Landkreise hätten trotz höherer Integrationsquoten deutlich höhere Kosten.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Verden Stadt und Land Seite: 3 Datum: 23.12.2011