Kampfansage Richtung Berlin

Bürgerinitiativen kritisieren Andreas Mattfeldt und wollen Widerstand gegen Erdgasförderung

Landkreis Verden. In einer Großen Koalition ist es ungefähr so wie in einer Ehe – beide Seiten müssen Kompromisse eingehen, wenn sie glücklich sein wollen. Das findet auch Bundestagsabgeordneter (MdB) Andreas Mattfeldt. In einem offenen Brief hatten die sechs im Landkreis Verden aktiven Bürgerinitiativen (BI) gegen Erdgasförderung und Fracking den Volksvertreter von der CDU scharf dafür kritisiert, dass er dem Fracking-Regelungspaket im Deutschen Bundestag zugestimmt, sich nicht wie seine Kollegin Christina Jantz-Herrmann (SPD) enthalten oder gar wie Herbert Behrens (Linke) im Reichstag gegen das Gesetzespaket votiert hat. Nach außen hin würde der Christdemokrat das Fracking-Gesetz sogar noch „als Erfolg verkaufen“, monieren die Gegner der Erdgasförderung. Doch Mattfeldt rechtfertigt sein Abstimmungsverhalten im Hohen Haus, hat eine persönlichen Stellungnahme verfasst.

„Wir, mehr als 100 kritische Abgeordnete aus der Unions-Fraktion, haben in den vergangenen vier Jahren engagiert gegen Fracking gekämpft“, hebt der Bundestagsabgeordnete das Engagement der so genannten Mattfeldt-Gruppe hervor. Und weiter: „Wir haben nahezu alle 13 gemeinsam erarbeiteten Kritikpunkte in das neue Gesetz einbringen können.“ Dies sei ein großer Erfolg für die betroffenen Menschen in der Region Verden. Deshalb könne er auch „die andauernde Kritik der Bürgerinitiativen“ aus seinem Wahlkreis „absolut nicht mehr nachvollziehen“. Schließlich sei der ausgehandelte Kompromiss doch auch ihr Verdienst.

So werde es in Deutschland künftig kein unkonventionelles Fracking (Verpressen in 1000 Metern Fördertiefe) mehr geben, zitiert er aus dem neuen Gesetz. Auch Probebohrungen, die unter Ländervorbehalt stehen, seien vom Bundesland Niedersachsen bereits ausgeschlossen worden. Die beiden Ergasfelder Völkersen und Völkersen-Nord würden zwar das größte Erdgasfeld Deutschlands bilden, unkonventionelles Fracking habe für die Region jedoch absehbar keine Bedeutung, da die Deutsche Erdöl AG (Dea) nach eigenem Bekunden nichts derartiges plane, schreibt Gero Landzettel stellvertretend für alle BI aus dem Verdener Kreisgebiet. Mattfeldt sieht das in seiner schriftlichen Reaktion auf den offenen Brief der BI hingegen anders: „Niemand kann ausschließen, dass die Dea aufgrund der hohen Gasvorkommen in der niedersächsischen Tiefebene auch in unserer Region künftig Anträge auf Fracking im Schiefergestein gestellt hätte. Eine Zersiedelung der Landschaft durch noch mehr Bohrtürme kann niemand wollen.“

Die Vertreter der kreisverdener BI lassen dieses Argument nicht gelten, entscheidender sei, dass die Förderung im Erdgasfeld Völkersen im bisherigen Stil fortgeführt und sogar noch erweitert werden könne. Mattfeldt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Regelungen zum konventionellen Fracking (Fördertiefe 3000 bis 5000 Meter) durch das neue Gesetz erheblich verschärft worden seien. „Bei Genehmigungen haben die Wasserbehörden künftig ein Veto-Recht. Gerade diese Regelungen sind auch für Verdens Landrat Peter Bohlmann und die untere Wasserbehörde von äußerster Wichtigkeit, ein „scharfes Schwert“, wie es Mattfeldt nennt.

Stichwort Lagerstättenwasser-Verpressung: Lagerstättenwasser dürfe nur noch in ausgeförderten Lagerstätten zwischen drei und fünf Kilometern Tiefe verpresst werden, erklärt der Bundestagsabgeordnete. „Verwendete Rohrsysteme müssen doppelwandig sein, das Lagerstättenwasser muss nach dem neuesten Stand der Technik (Ultrafiltration) gereinigt werden“, betont er. Die BI kontern, dass im neuen Gesetz nicht regelt werde, in welchem Umfang überhaupt Lagerstättenwasser verpresst werden dürfe. Sie befürchten, dass bald das gesamte bei der Dea im Fördergebiet Niedersachsen anfallende Lagerstättenwasser im Spanger Forst bei Völkersen verpresst werden könnte. Zudem dürfe das zu versenkende Lagerstättenwasser noch einen Anteil (0,1 Prozent) wassergefährdender Stoffe enthalten.

„Nach dem jüngsten Erdbeben habe ich bei mir zu Hause Risse im Hauswirtschaftsraum und in der Glasveranda entdeckt“, weist der in Völkersen wohnende MdB auf die im Gesetz verankerte Beweislastumkehr hin. Bedeutet: Künftig stehen die erdgasfördernden Unternehmen in der Beweispflicht, dass das Erdbeben und die daraus resultierenden Schäden nicht durch sie verursacht wurden. Doch die BI wiegeln ab: Damit die Bergschadensvermutung greife, müssten sich die beschädigten Gebäude allerdings im Einwirkungsbereich des Erdbebens befinden (Bodenschwinggeschwindigkeit von fünf Millimetern pro Sekunde). Ein derartiger Wert sei jedoch bei keinem der bisherigen Erdbeben gemessen worden. Außerdem sei das Thema „offenes Abfackeln“ in keiner Weise im neuen Gesetz aufgegriffen worden.

Kurzum: „Das Fracking-Regelungspaket hat unserer Region nur marginal geholfen und die Situation in verschiedenen Bereichen sogar noch verschlechtert“, schreiben die Mitglieder der BI in ihrem Brief an den Abgeordneten. Sie würden ihren Widerstand gegen die Erdgasförderung jedenfalls „unvermindert“ fortsetzen, richten sie eine entsprechende Kampfansage nach Berlin. Es helfe in der Sache kein Stück weiter, auf Maximalforderungen zu beharren, findet Mattfeldt. Er wertet den errungenen Kompromiss nach wie vor als „sehr guten Zwischenschritt“, betont aber, dass er an seiner Forderung festhalte, die Erdgasförderung in dicht besiedelten Gebieten binnen der nächsten zwei Jahre komplett einzustellen. „Die Erdgasindustrie hat mich als Totengräber der Branche tituliert, den Anti-Fracking-Initiativen ging das Gesetz nicht weit genug. Wie so oft, liegt auch hier die Wahrheit in der Mitte“, fasst er zusammen.

Von Jörn Dirk Zweibrock

aus Verdener Nachrichten vom 10.08.2016