Kommunen in schwieriger Situation

Kommunen steht das Wasser bis zum Hals
Abgeordnete setzen auf die Finanzkommission / Patentrezepte nicht in Sicht

Von Klaus-Dieter Pfaff  Verden. Haben die Kommunen in den letzten Jahren über ihre Verhältnisse gelebt? Mussten und müssen Städte und Gemeinden zu viele Aufgaben vom Bund übernehmen und bezahlen? Oder: Kann die jetzt eingesetzte Gemeindefinanzkommission tatsächlich für mehr finanzielle Gerechtigkeit sorgen? Fest steht jedenfalls: Vielen Kommunen steht das Wasser bis zum Hals. Für das laufende Jahr erwartet der Deutsche Städtetag ein Rekorddefizit der kommunalen Haushalte in Höhe von 15 Milliarden Euro.

Wie sehen das die beiden Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt (CDU) und Herbert Behrens (Die Linke)? Um es vorwegzunehmen – mit einem Patentrezept können auch sie nicht dienen.

„Die kommunalen Haushalte befinden sich in einer ähnlich schwierigen Situation wie die von Bund und Land. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt von oben nach unten Wirkung. In den Haushalten von Bund und Land wurden bereits Einsparungen auf den Weg gebracht. Und auch in vielen kommunalen Haushalten sind schon harte Einsparungen vorgenommen worden, stellt Andreas Mattfeldt fest. „Während die Einsparungen bei Bund und Land häufig nicht unmittelbar für die Bürger wirksam werden, merkt der Bürger die Kürzungen im kommunalen Bereich unmittelbarer.

Als ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Langwedel weiß ich aber auch, dass die Bürgerinnen und Bürger sparsames Handeln verstehen und akzeptieren. Vor allem, wenn es sachlich und ehrlich erklärt wird.“ Zur Wahrheit gehöre auch, dass es im Jahre 2008 noch relativ gut um die Kommunalfinanzen bestellt gewesen sei. Auch die Gemeinden hätten die höchsten Einnahmen seit Bestehen der Bundesrepublik verzeichnen können. Deshalb vermisst der Christdemokrat an diesem Punkt von einigen Bürgermeistern und Kommunalparlamenten auch ein Stück Selbstkritik: „Wer 2008 nicht zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen konnte, muss sich fragen, ob nicht seit langem über die Verhältnisse gelebt wurde. Wir Bundespolitiker mit kommunaler Vergangenheit haben uns zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit den kommunalen Vertretern auf Landkreis-, Städte- und Gemeindeebene eine dauerhafte Verbesserung der Kommunalfinanzen zu erreichen. Dazu haben wir die Gemeindefinanzkommission eingesetzt, die bereits Ende dieses Jahres erste Arbeitsergebnisse vorlegen wird, um schnell und dauerhaft Verbesserungen im Bereich der kommunalen Finanzen zu erreichen.“

Die Kommission habe es sich vor allem zum Ziel gesetzt, Verbesserungen auf der Einnahmeseite zu erreichen. Es solle aber auch mittels Aufgabenabbau und Verwaltungsvereinfachungen zu einem Kostenabbau im kommunalen Bereich kommen. Einzelne Schnellschüsse würden den Kommunen langfristig überhaupt nicht weiterhelfen. Man muss, sagt Mattfeldt, möglichst bald zu einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung zurückkehren, denn auch davon würden die Kommunen profitieren. „Die Wirtschaft befindet sich auf einem von ihr selbst nicht für möglich gehaltenen Erholungskurs. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Ländern wird Deutschland die Schuldenbremse vermutlich schneller einhalten können als erwartet“, zeigt er sich optimistisch. Die Entscheidungen der unionsgeführten Bundesregierung hätten auchdazu geführt, dass die Einnahmesituation sich 2010 und in den folgenden Jahren erheblich besser gestaltet als in der Finanzplanung angenommen.

Seinem Kollegen Herbert Behrens von den Linken wird angesichts der finanziellen Misere in den Rathäusern ganz mulmig. Es sei eine schlimme Situation. Und dafür macht er in erster Linie Land und Bund verantwortlich: „Die kommunalen Kassenkredite niedersächsischer Kommunen sind in einem Besorgnis erregenden Umfang auf 4,5 Milliarden Euro angewachsen. Den Städten, Gemeinden und Landkreisen in Niedersachsen stehen im laufenden Landeshaushalt 580 Millionen Euro weniger als im Jahr 2009 zur Verfügung.“ Allein die Ausfälle durch weniger Steuern, die auf eine seit Jahren verfolgte und von der niedersächsischen Landesregierung mitgetragene Steuerpolitik des Bundes zurückzuführen seien, koste die niedersächsischen Kommunen Milliarden.

Die Steuersenkungen im Rahmen der beiden Konjunkturpakete sowie im Rahmen des so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes würden für die niedersächsischen Kommunen rund 300 Milliarden Euro weniger bedeuten. Behrens stellt fest: „Die vom Grundgesetz und der Landesverfassung geschützte kommunale Selbstverwaltung in Niedersachsen verkommt zu einer Farce. Würde es sich bei den Kommunen um juristische Personen des Privatrechts handeln und nicht um öffentlich rechtliche Körperschaften, müssten vielfach längst Insolvenzanträge gestellt werden.“ Meldungen über geschlossene Schwimmbäder und Kultureinrichtungen, Gebührenerhöhungen und verkaufte Schlaglöcher würden dabei nur die Spitze des Eisbergs bilden. „In Worpswede wurde darüber diskutiert, ob das Schwimmbad geschlossen oder die Ortsräte abgeschafft werden sollten.

In Osterholz-Scharmbeck beschließt der Rat gegen die Stimmen meiner Ratsfraktion Jahr für Jahr Einschnitte im Personalbereich und senkt soziale Standards, um sich damit Bedarfszuweisungen vom Land zu erkaufen.“ Behrens nennt auch einige Voraussetzungen, die seiner Auffassung nach für eine bessere Finanzausstattung in den Städten und Gemeinden vonnöten sind: „Kommunen brauchen Stabilität, Planungssicherheit und deutlich höhere Einnahmen.“ Konkret bedeute das: Die Finanzbeziehungen zwischen Kommunen, Bund und Ländern müssten neu geordnet werden. Den Kommunen dürften nicht dauernd neue Aufgaben übertragen werden, ohne dass dafür eine angemessene finanzielle Ausstattung sichergestellt sei. Die kommunalen Steuereinnahmen müssen nach Behrens‘ Ansicht dringend erhöht werden. Die Gewerbesteuer müsse auf eine breitere Basis gestellt und weniger konjunkturanfällig ausgerichtet werden.


© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 12.07.2010