Kompromiss im Streit um Stromtrasse

Kompromiss im Streit um Stromtrasse

V-N 17 01 25 Stromtrasse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach der Überarbeitung der Pläne sind deutlich weniger Anwohner von Freilandleitung betroffen

Langwedel. Im Streit um die 150 Kilometer lange Stromtrasse von Stade nach Landesbergen (Kreis Nienburg) scheint ein Kompromiss gefunden. Der Betreiber Tennet hat die Planungen nach Anwohnerprotesten überarbeitet. Das führt insbesondere in Langwedel (Kreis Verden) zu einer deutlichen Entlastung. Die Bewohner im Ortsteil Cluvenhagen können sich sogar über einen Rückbau der bestehenden Freilandlandleitung freuen. Bislang gingen die Masten dort mitten durch das Wohngebiet.

„Dabei war die Leitung vor den Häusern da“, hat Langwedels Bürgermeister Andreas Brandt gut lachen. Anderswo etwa im Raum Hoya (Kreis Nienburg) sieht es anders aus. Dort ist ein neues großes Umspannwerk geplant. Besonders großen Protest gab es in der Gemeinde Warpe (Grafschaft Hoya). Dort sollte die Trasse zunächst nah an der Wohnbebauung entlang verlaufen. Die „Bürgerinitiative gegen den Trassenwahn“ ist überzeugt, dass Tennet ohne den Protest nicht eingelenkt hätte. Sprecher Günter Brünjes meint: „Ohne den Widerstand wären wir nicht so weit gekommen.“ Brünjes wohnt auf einem Resthof in Warpe zwischen zwei Überlandleitungen. Er hat nichts gegen die Energiewende, aber entschieden etwas gegen „Monstertrassen“.

Die Stromtrasse von Stade nach Landesbergen ist 40 Jahre alt und stößt aufgrund der Energiewende zunehmend an Kapazitätsgrenzen. Um künftig insbesondere mehr Windstrom vom Norden in den Süden Niedersachsens transportieren zu können, soll die bestehende 220-Kilovolt-Leitung komplett abgebaut und durch eine neue 380-Kilovolt-Leitung ersetzt werden. Etwa die Hälfte der Trasse soll unverändert bleiben. Die andere Hälfte soll neu geplant werden. Dabei geht es nicht nur um die Entlastung von Ortschaften, sondern auch um die Umweltverträglichkeit. Dazu Brünjes: „Manchmal hat man den Eindruck, dass Flora und Fauna wichtiger sind als die Menschen.“

Sieben Pilotstrecken für Erdkabel

Die „Bürgerinitiative gegen den Trassenwahn“ fordert, die Leitung soweit wie möglich unter die Erde zu verlegen. Erst vor gut einem Jahr hatte der Bundestag diese Möglichkeit beschlossen. Zuvor hatten Freilandleitungen Vorrang. Für die Erdverkabelung hatte sich unter anderem der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt aus Kirchlinteln stark gemacht, nicht zuletzt weil sein Heimatort von der neuen Leitung durchquert werden sollte. Die Erdverkabelung soll nun im Dreieck zwischen Langwedel, Blender und Verden geprüft werden. „Das ist eine gute Nachricht für alle Betroffenen“, so Mattfeldt.

„Anders als bei der Südlink handelt es sich zwischen Stade und Landesbergen jedoch nicht um eine Gleichstromleitung. Bei Wechselstrom haben wir allerdings kaum Erfahrungen mit der Erdverkabelung“, erklärt der Sprecher des Betreibers Tennet, Mathias Fischer. Auf insgesamt sieben Pilotstrecken entlang der Trasse soll das Kabel nun in der Erde verschwinden. „Das Problem sind vor allem die Kabelübergangsanlagen. Die sind so groß wie Fußballfelder. Das lohnt sich nicht für ein paar Hundert Meter Erdkabel“, erklärt Fischer die Bedenken des Betreibers.

Der Bürgermeister der Gemeinde Langwedel, Andreas Brandt, ist zunächst einmal froh, dass die Pläne noch einmal überarbeitet worden sind: „Das bedeutet eine große Entlastung für die Menschen in Cluvenhagen, aber auch eine Aufwertung für das Landschaftsschutzgebiet Aller-Weser.“ Brandt vermutet jedoch, dass sich der Protest nun nach Verden und Hoya verlagert. Der Bürgermeister betont: „Aber wir sind ja noch nicht einmal im Raumordnungsverfahren. Wir werden uns die neuen Pläne genau angucken.“

Grundlage für die Trassenplanung ist vor allem die Einhaltung der Mindestabstände zur Wohnbebauung. Diese betragen 400 Meter bis zur nächsten Siedlung und 200 Meter bis zu einem einzelnen Haus. Dazu erklärt Tennet in einer Pressemitteilung: „Entlang der 150 Kilometer langen Strecke lagen bislang 998 Gebäude des Innenbereichs näher als 400 Meter an der Freileitung. Das wird mit der Neuplanung auf nur noch 18 Gebäude reduziert.“ Im Außenbereich lagen demnach bislang 202 Gebäude näher als 200 Meter an der Freileitung, künftig sollen es nur noch 29 sein.

In dieser Woche informiert Tennet über die neuen Pläne – gestern in Zeven, heute in Sottrum, morgen in Wietzen und übermorgen in Hilgermissen. Brünjes und Brandt raten allen, die entlang der Strecke wohnen, sich genau zu informieren. Während Brandt die frühzeitige Bürgerbeteiligung von Tennet lobt, spart Brünjes nicht mit Kritik am Betreiber: „Wir sind bisher nur halbherzig informiert worden.“

aus Verdener Nachrichten vom 25.01.2017