Krebsrate in Bothel beunruhigt Verden

Eine Studie hat ergeben, dass Männer in Bothel im Kreis Rotenburg deutlich häufiger an Krebs erkranken, als das statistisch zu erwarten wäre. Das Niedersächsische Umweltministerium schließt einen Zusammenhang mit Erdgasförderung nicht aus.

VON ONNO KUTSCHER UND MICHAEL KERZEL
Landkreis Verden. Eine erhöhte Krebsrate bei Männern im Erdgasfördergebiet der Samtgemeinde Bothel im Kreis Rotenburg hat die Menschen in der Region aufgeschreckt. Laut einer Auswertung des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) erkrankten 41 Männer von 2003 bis 2012 an Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs, das sind doppelt soviel als statistisch erwartet. Laut EKN gebe es aber nur eine auffällige Häufung von Leukämie- und Lymphdrüsenkrebsfällen bei Männern. Für Frauen trifft das nicht zu. Auch bei anderen Krebsraten gibt es demnach keine statistischen Auffälligkeiten. Insgesamt sind laut EKN im fraglichen Zeitraum 533 Personen in Bothel an Krebs erkrankt, 494 Krebsfälle wären „normal“ gewesen.

Da auch im Kreis Verden Erdgas gefördert wird, hat die Kreisverwaltung reagiert. „Wir nehmen das sehr ernst“, sagte Landrat Peter Bohlmann auf Nachfrage dieser Zeitung. „Betrachtet man im Kreis Verden die Todesfälle durch Krebserkrankungen von 2003 bis 2014, gibt es allerdings keine Auffälligkeiten“, berichtete der Landrat. In einem nächsten Schritt soll in Erfahrung gebracht werden, wie sich in diesem Zeitraum die Krebsrate entwickelt hat.

Laut Bohlmann wird es Hilfe vom Niedersächsischen Umweltministerium geben. Demnach werden alle Betriebsstätten in den Landkreisen Verden und Rotenburg sowie im Heidekreis auf Schadstoffbelastungen überprüft. „Ein Termin steht noch nicht fest, ich habe dafür aber eine Zusage bekommen“, sagte Bohlmann. Die nächsten Schritten werden eng mit dem Landkreis Rotenburg abgestimmt, kündigt Bohlmann an.

Leichten Druck auf die Verdener Kreisverwaltung übte bereits der Kreisverdener Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) aus. In einem Schreiben an Landrat Bohlmann hatte er diesen bereits aufgefordert, ihm Auskünfte über die Krebsrate im Kreis Verden zu geben. „Ich hoffe, dass die erhöhten Krebsraten im Landkreis Rotenburg bei Männern in keinem Zusammenhang mit der dort praktizierten Erdgasförderung stehen. Gleichwohl müssen wir in Verden in unseren Erdgasgebieten sehr wachsam sein. Die Bürger brauchen Klarheit“, sagte Mattfeldt.

Keine Drosselung der Gasförderung

Die Untersuchung des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen wurde in Rotenburg auf Drängen einer Bürgerinitiative gegen Erdgasförderung umgesetzt. 700 Unterschriften waren für Landrat Hermann Luttmann (CDU) Anlass genug, um die Krebsrate überprüfen zu lassen. „Wir müssen wissen, ob es einen Zusammenhang mit der Erdgasförderung gibt“, meinte Luttmann. Betreiber der Erdgasförderstätten in Rotenburg ist Exxon Mobil.

Einen Zusammenhang zwischen Erdgasförderung und erhöhtem Krebsrisiko sieht Heinz Oberlach, Sprecher der RWE Dea, die im Kreis Verden Erdgas fördert, nicht. „Das ist eine Hypothese, die überprüft werden muss“, sagte er. Die Häufung von Krebsfällen in Bothel bei Männern sei unbestritten, könne jedoch viele Ursachen haben. „Es ist eine große Aufgabe, herauszufinden, woran die Häufung liegt“, sagte Oberlach. Das Thema sei sehr ernst. „Da muss man aktiv rangehen, herausfinden, welche Gemeinsamkeiten die Betroffenen haben“, meinte Oberlach.

Bei der RWE Dea werde geprüft, ob es Gruppen gibt, die eine höhere Krebserkrankungsrate aufweisen, als es statistisch zu erwarten wäre. Wenn Erdgasförderung für Krebserkrankungen verantwortlich sei, sagte Oberlach, sei zu erwarten, dass diejenigen, die in diesen Bereichen arbeiten, höhere Raten aufweisen. „Die Krebshäufung ist schlimm und sehr bedauerlich. Jetzt müssen alle Beteiligten mitmachen, um die Ursache zu klären“, sagte Oberlach. Bis diese geklärt seien, ergebe auch eine Drosselung der Erdgasförderung keinen Sinn.

Der Nabu-Landesvorsitzende Niedersachsens, Holger Buschmann, kritisierte die Erdgasförderung. „Es ist absolut inakzeptabel und grob fahrlässig, jetzt über die Ausbeutung von unkonventionellen Lagerstätten mit Hilfe der Fracking-Technologie nachzudenken, wenn die Folgen der konventionellen Förderung nicht kontrolliert werden können“, meinte Buschmann. Die Ereignisse in Niedersachsen zeigten, dass jede neue Bohrung zu einem neuen Test- und Experimentierfeld würde.

aus Verdener Nachrichten vom 17.09.2014