Lärmsanierung mit großen Lücken

  • Lärmschutz an der Eisenbahn in Verden: Ein Intercity der Deutschen Bahn fährt auf der Strecke Bremen-Hannover in Verden nahe der Allerbrücke an Wohnhäusern und einer halb fertigen Lärmschutzwand vorbei. Ab Januar wird der Schallschutz im südlichen Stadtbereich bis zum Bahnhof gebaut. FOTO: STRANGMANN

Anfang 2016 startet die Bahn mit dem Bau von Schallschutz entlang der Schienenstrecke durch Verden

VON ANDREAS BECKER

Verden.

Seit 15 Jahren befasst sich Stadtplaner Norbert Schaffeld jetzt schon mit der Lärmsanierung an den Schienenstrecken durch die Stadt Verden, und er ist sicher, dass ihn das Thema auch noch in den nächsten 15 Jahren beschäftigen wird. „Die ganze Sache ist unheimlich komplex, und wenn die Alpha-Variante der Y-Trasse umgesetzt wird, haben wieder mehr Bürger Anspruch auf aktiven Schutz, sprich Lärmschutzwände“, sagt Schaffeld.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Jetzt sind Schaffeld und seine Kollegin Tina Rulffes erstmal froh, dass Verden in der Prioritätenliste des Bundes so weit nach vorne gerutscht ist, dass Anfang 2016 zumindest die Lärmschutzwand West errichtet wird. Nach den Richtlinien der Bahn haben nur diejenigen, die tagsüber mehr als 70 dB(A) und nachts mehr als 60 dB(A) Schalldruck ausgesetzt sind, Anspruch auf aktive Lärmsanierung. Strenger beurteilt der Lärmaktionsplan der Stadt Verden die Gesundheitsgefährdung und geht von niedrigeren Grenzwerten aus. Danach sind zwischen 9000 und 10 000 Bürger vom Bahnlärm betroffen. „Wir sind zufrieden, dass endlich etwas in Sachen Schallschutz passiert, nachdem sich der Baubeginn durch die Arbeiten an der neuen Eisenbahnbrücke verzögert hat“, sagt Schaffeld.

Die Lärmschutzwand West reicht südlich bis zum Bahnhof Verden. Die Länge beträgt 1157 Meter. Die Bauarbeiten für die Schallschutzwand Ost sind ab Februar 2017 vorgesehen. Die Länge der Wand beträgt 630 Meter. Allerdings gibt es Lücken. In einem Schreiben an den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt teilt Enak Ferlemann, Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, mit, dass „im Bereich Mühlenberg/Friedrichstraße sowie in der Ysostraße das Kosten-Nutzen-Verhältnis für eine Errichtung von Schallschutzwänden so gering ist, dass eine Förderung derzeit nicht möglich ist“. Eine Finanzierung durch die Kommune bleibe davon unbenommen, erklärt Ferlemann. Im Klartext: Ein durchgehender Schallschutz ist der Bahn zu teuer. Oder wie Norbert Schaffeld sagt: „Es wird besser werden, das ist klar. Uns ist aber auch klar, dass Lärmsanierung alleine nicht ausreicht.“

Das Problem sei, dass die Lärmbelästigung im Bereich der Lücken besonders stark sei. „Hier ist es besonders laut“, bestätigt Tina Rulffes. Zwar würden zurzeit Gespräche mit der Bahn laufen, auch auf politischer Ebene, um einen Schluss der Lücken zu erreichen, ein Ergebnis gebe es jedoch noch nicht. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist nach Ansicht der Stadtplanerin, dass die Bahn auch die Bereiche ausspare, an denen höhere und größere Gebäude stehen, etwa Lagerhallen oder Betriebsgebäude. „Wenn die aber irgendwann abgerissen werden, bessert die Bahn an diesen Stellen nicht nach“, sagt Schaffeld.

Auch im Bereich Ladestraße, im nördlichen Teilstück des Schienenstrangs, das vom Verdener Bahnhof bis Höhe Grüner Jäger reichen wird, ist kein Lärmschutz vorgesehen. „Dieser Bereich soll freibleiben, weil die Bahn dort ihre Logistik für eigene Baustellen und Projekte abwickelt“, sagt Schaffeld. Wie Ferlemann schreibt, sei auch die Alternative, eine niedrige Schallschutzwand in diesem Bereich, nicht sinnvoll, da sie angesichts des ebenen Geländes und der breiten Gleisfelder in diesem Abschnitt nur „eine minimale, kaum wahrnehmbare Wirkung“ erziele. Nach Aussagen der Bahn wäre der Bau einer Lärmschutzwand direkt neben der Ladestraße „problematisch“, da dadurch Be- und Entladearbeiten nicht mehr möglich wären. Zusätzlich wäre eine Mastumfahrung erforderlich, wodurch die Ladestraße nicht mehr durchgängig befahren werden könnte, meint die Bahn. Auch eine Verlegung des nächstgelegenen Gleises komme aus finanziellen Gründen nicht in Frage.

Für den nördlichen Teil der Lärmschutzwand soll das Plangenehmigungsverfahren, das keine Bürgerbeteiligung, sondern nur eine Bürgerinformation vorsieht, in diesem Jahr noch eingeleitet werden. Der Baubeginn ist für Ende 2017 und 2018 vorgesehen. Allerdings wird nach den aktuellen Planungen zwischen der Unterführung Hamburger Straße und dem Grünen Jäger ein „Riesenloch“, wie Schaffeld es nennt, in der Schallschutzwand klaffen. „Das liegt daran, dass der Schallschutz in Dauelsen bereits seit 2006 abgeschlossen ist und es in diesem Bereich keine Wiederaufnahme geben wird“, erklärt der Stadtplaner.

Verden – Stadt und Land und Achimer Kurier vom 1.10.2015