Megabitz flitzen durchs Abwasserrohr

Megabitz flitzen durchs Abwasserrohr

Ottersberg – (pee) · Wer in Benkel oder Narthauen an seinem Rechner sitzt und aus dem Internet ein Bild runterladen will, kann sich getrost eine Thermoskanne Kaffee daneben stellen. Downloaden dauert… „Übertragungsraten von unter einem Megabit“, so Dipl.-Ing. Hans-Peter Wolff, machen schnelles Internet zur Utopie in den beiden ländlichen Außenposten des Fleckens Ottersberg. Jetzt aber gibt es Licht(wellenleiter) am Horizont: Ein innovatives Pilotprojekt, zu 90 % finanziert vom Bundeswirtschaftsministerium, katapultiert Benkel und Narthauen aus der IT-Steinzeit in die High-Tech-Zukunft. Mit Datenübertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 50 MBit/s bekommen die beiden Dörfer 2011 das schnellste Internet der Region, sagen die Projektentwickler. Der Clou: Die Glasfaserkabel kommen durch den Abwasserkanal ins Haus.

Bundesförderwettbewerb gewonnen, Turbo-Internet für Benkel und Narthauen gesichert: Da kommt Freude auf bei (vo.v.li.) E-Werksleiter Carsten Haverkamp, Wobesco-Geschäftsführer Nico Bastian Wolff und Projektentwicklungsleiter Hans-Peter Wolff sowie (hi.v.li.) MdB Andreas Mattfeldt und Ottersbergs Bürgermeister Horst Hofmann.

„Modellprojekte für den Breitbandausbau“ hieß der im August 2010 ausgeschriebene Förderwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Angesprochen waren kleine ländliche Gemeinden, in denen der Breitbandausbau wegen großer Entfernungen und geringer Siedlungsdichte für Kommunikationsunternehmen völlig unwirtschaftlich ist. Weil aber Hochleistungsnetze als wachstums- und beschäftigungsfördernde Standortfaktoren gelten, wollte der Förderwettbewerb den weißen Flecken in der Breitband-Landschaft mit innovativen Lösungen zu Leibe rücken. Ein Programm wie gemacht für Narthauen und Benkel. Dachten sich im Rathaus Bürgermeister Horst Hofmann und Carsten Haverkamp, Leiter des gemeindeeigenen Elektrizitätswerks. Zumal die Klagen der Bürgerinitiative Benkel über die existenziellen Nachteile ihrer vom World Wide Web abgeschnittenen Selbstständigen, Studenten und Schüler schon bis zur Kanzlerin vorgedrungen waren.
Im Einvernehmen mit der Politik beauftragte also das E-Werk das junge Ottersberger Unternehmen Wobesco, unter anderem spezialisiert auf Lichtwellenleitertechnik-Beratung, mit einer Projektskizze für die Teilnahme an besagtem Förderwettbewerb. Wobesco-Geschäftsführer Nico Bastian Wolff und Projektentwicklungsleiter Hans-Peter Wolff durchforsteten bestehende Rohrsysteme nach Möglichkeiten der Mitnutzung. Fündig wurden sie in der Abwasserkanalisation.
Nach ihrer Planung verläuft das neue Breitbandkabel von der Vermittlungsschaltstelle der Telekom in Posthausen durch die Rohrverbindung nach Otterstedt und weiter nach Narthauen: „Da ziehen wir die Glasfaser mit durch.“ Ohne Straßen aufzureißen, ohne Baustellen. Nur die letzten 400 Meter bis Benkel werden konventionell gegraben für die Kabel, bis die sich wieder im Abwassersystem verzweigen. Die hochdrucksicheren und rostfreien Edelstahlvorrichtungen für die Kabelführung im Kanal setzt ein Arbeitsroboter – ein System, das eine Schweizer Firma erfunden und erprobt hat.
Kosten der Verkabelung via Kanal: 500 000 Euro, von denen 450 000 Euro als Zuschuss aus Berlin kommen. Ottersberg ist eine von zwei niedersächsischen Gemeinden, die bei diesem Breitband-Förderwettbewerb des Wirtschaftsministeriums gewonnen haben. Im November war die Wobesco-Projektskizze eingereicht worden, vor zwei Wochen erhielt Ottersberg den Zuschlag. Dieses Jahr soll das Pilotprojekt realisiert werden, dessen Kostenersparnis gegenüber konventionellem Leitungsbau nach Wolffs Worten bei 31 % liegt.

Dass von den 16 Millionen Euro Gesamtfördermitteln 450 000 Euro in seinen Wahlkreis gehen, begeisterte auch den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt, der bei der Projektvorstellung „die wegweisende Bedeutung des Ottersberger Modells für unzählige Regionen in Deutschland“ lobte.
146 Haushalte in Benkel und Otterstedt sollen gegen eine Hausanschlussgebühr ans Turbo-Internet anschließen können. Ausgeschrieben werden in Kürze nicht nur die ersten Bauarbeiten für das Passivnetz, sondern auch Pachtung und Betrieb des neuen Hochleistungsnetzes durch einen Kommunikationsanbieter.
„Quersponsor“ des Projekts ist das E-Werk, das die 50 000 Euro Eigenanteil für das neue Leitungsnetz zahlt, das es selbst mit nutzen will: Das E-Werk beginnt mit dem Anschluss von elektronischen Zählern in den Haushalten, und in Narthauen und Benkel bietet sich die Gelegenheit für einen ersten Test – ein kleines Pilotprojekt im großen sozusagen.

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