Neue Hürden für die „B 74 neu“:

Umweltbedenken in Berlin

VON BERNHARD KOMESKER
Landkreis Osterholz. Eigentlich schien im Mai 2012 alles geritzt: Zusammen mit dem Land Niedersachsen hatte der Landkreis Osterholz beim Bund beantragt, dieser möge die Linienführung für eine Ritterhuder Ost-Umgehung festlegen. Erfahrungsgemäß dauere so etwas drei bis neun Monate, in Ausnahmefällen länger, hatte es seinerzeit geheißen.
Offenbar ist das Osterholzer Projekt so eine Ausnahme: Aus dem Bundesverkehrsministerium erfuhren wir jetzt auf Anfrage: „Aufgrund der Komplexität der zu berücksichtigenden Belange kann zum gegenwärtigen Stand kein konkreter Zeitpunkt zum Abschluss des Verfahrens benannt werden.“ Das Vorhaben sei mit hohen umweltfachlichen Planungshürden verbunden, ließ Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) verlauten.
Mehr noch: Im neuerdings SPD-geführten Landesverkehrsministerium ist man entschlossen, die niedersächsische Meldeliste zum Bundesverkehrswegeplan nochmals aufzuschnüren. Die „B 74 neu“ ist dabei einer von 241 Posten. Wie berichtet, läuft parallel zu der Linienbestimmung für die Ortsumgehung auch die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans, der den Fernstraßenausbau bis 2030 skizziert.
„Unsere Vorgängerregierung hat im Dezember eine Sammlung von Projekten an den Bund gemeldet, ohne eine Priorisierung vorzunehmen; das holen wir nun nach“, bestätigte gestern Ministeriumssprecher Stefan Wittke. Wann sich das Kabinett in Hannover damit befassen wird und welche Projekte am Ende übrig bleiben, müsse sich zeigen. Sicher sei nur: Das neue Maßnahmenpaket werde „deutlich kleiner“ sein; andererseits sei es nun aber auch nicht so, dass in Niedersachsen unter Rot-Grün gar keine neuen Straßen mehr gebaut würden. Wittke: „Das wird sich auf Koalitionsebene schon zurecht ruckeln.“
Er nahm damit Bezug auf eine Aussage der verkehrspolitischen Sprecherin der Grünen, Susanne Menge. Die Oldenburger Landtagsabgeordnete hatte am Montag erklärt, Priorität hätten Instandhaltung und Sanierung. Wegen der Finanzen werde es in den nächsten Jahren keinen neuen Spatenstich in Niedersachsen geben können.
Der neuerdings in der Opposition befindliche CDU-Abgeordnete Axel Miesner zeigte sich prompt alarmiert. Das Spardiktat beim Straßenbau bedrohe den Wirtschaftsstandort Niedersachsen, S.häumte der Kreis- und Landespolitiker. Miesner hatte erst in der Vorwoche im Kreistag einer Resolution zugestimmt, wonach der Bund endlich den Trassenkorridor für die „B 74 neu“ festlegen und diese im Verkehrswegeplan höher stufen solle. Die Grünen waren aus Umweltgründen dagegen.
Zu dem Brandbrief, der in Kopie ans Bundeskanzleramt geht, äußerte sich auf Nachfrage auch der Abgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU). Er hatte im September die Vertreter aus Bundesumwelt- und Bundesverkehrsministerium zusammengebracht. Alles vergebens? Haben ihn die Osterholzer Parteifreunde nun womöglich gar umgangen? Umgekehrt werde ein Schuh draus, erwidert Mattfeldt: Er selbst habe die Resolution angeregt und maßgeblich mitverfasst – „damit ich ein Votum aus der Region in der Hand habe und entsprechend nachfassen kann“. Genau das werde er nun auch tun.
Dass die Linienfestlegung auf sich warten lässt, beunruhigt Mattfeldt weniger: „Die Erfahrung lehrt, dass die Ministerialbürokratie anders arbeitet als die freie Wirtschaft.“ Beim Vorgespräch im Herbst sei erkennbar geworden, dass die geplante Ostvariante keine unlösbaren Umweltkonflikte aufwerfen würde. Als Landrat habe seinerzeit Jörg Mielke mit am Tisch gesessen, der nun als SPD-Staatssekretär in Hannover auch ein Wörtchen mitreden werde.
Mattfeldt rechnet „in den nächsten Monaten“ mit der Linienfestlegung durch den Bund. Daran würde sich eine sogenannte Planfeststellung mit öffentlicher Beteiligung anschließen, sodass ein Bau „bei aller Vorsicht ungefähr im Jahr 2020“ beginnen könnte. Und die Aufnahme der „B 74 neu“ in den vordringlichen Bedarf des Verkehrswegeplans beurteilt Mattfeldt sehr optimistisch: „Wir sind da auf dem besten Wege.“
Der Planungs- und Umweltdezernent der Landesverkehrsbehörde, Heiner Haßmann, sagte, sein Haus erstelle zurzeit einzelne Projektdossiers für die Meldeliste, um für den Bundesverkehrswegeplan präzisere Daten übermitteln zu können. Dies solle im Sommer 2013 geschehen.
c/c: Norddeutsche v. 2.3.2013