Neue Wahlkreisreform ?

7. Dezember 2022
Pressespiegel

Landkreis droht mit Widerstand

Wahlkreisreform ist Thema im Kreistag und Gemeinderat – Dörverden will weiter zu Verden gehören

Verden. Vor der Gebietsreform in den 1970er-Jahren sorgten Künstler aus dem damaligen Landkreis Grafschaft Hoya – allen voran Rudi Carrell – für lautstarken Protest. Auf ihrer sogenannten „Schlachteplatte“ machten sie musikalisch gegen die Zerstückelung des Kreisgebietes mobil. Gebracht hat es letztlich nichts – Eystrup und Hoya gingen im bestehenden Landkreis Nienburg auf. Erst Jahrzehnte später wurde das beliebte SY-Kennzeichen wieder eingeführt. Dem Bundestagswahlkreis mit der Nummer 34, Osterholz-Verden, droht nun das gleiche Schicksal wie dem Altkreis Grafschaft Hoya, nämlich die Schlachtung. Ersten Umsetzungsplänen zufolge würde er bei der Reform der Bundestagswahlkreise gestrichen werden und in drei anderen Wahlkreisen aufgehen.

Nachdem sich bereits der hiesige Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) gegen einen Neuzuschnitt des bisherigen Bundestagswahlkreises ausgesprochen hat, ziehen nun der Kreistag und die Gemeinde Dörverden nach. „Die Gemeinde Dörverden fordert zwingend, dass im Rahmen einer Veränderung der Bundestagswahlkreise der Gebietszuschnitt des Landkreises Verden als Ganzes in einem Wahlkreis erhalten bleibt“, heißt es im Beschlussvorschlag der Verwaltung, der am Donnerstag, 15. Dezember, im Gemeinderat verabschiedet werden soll.

Der gleiche Wortlaut ist auch in der öffentlichen Beschlussvorlage des Landkreises Verden zu finden, die an diesem Freitag, 9. Dezember, den Verdener Kreistag passieren soll: „Mit dem Beschluss positioniert sich der Kreistag als Hauptorgan zu der drohenden Zerstückelung und kündigt massiven Widerstand an, wenn es bei einer solchen bleiben soll.“

Fragwürdiges Konstrukt

Seit 2009 vertritt Andreas Mattfeldt aus Völkersen den Landkreis Verden nun schon als Parlamentarier in Berlin, und zwar den ganzen Landkreis. Gemäß den ersten Plänen soll im Verdener Südkreis bundespolitisch kein Stein mehr auf dem anderen bleiben: Demnach gäbe es in Niedersachsen ab 2024 lediglich 28 statt bislang 30 Wahlkreise.

Die Stadt Verden sowie die Gemeinde Kirchlinteln und der Flecken Langwedel sollen dem Nachbarwahlkreis Rotenburg-Heidekreis zugeschlagen werden. Achim, Thedinghausen, Oyten, Ottersberg und Dörverden sollen gemeinsam mit dem Landkreis Nienburg sowie einigen Diepholzer Kommunen zu einem neuen Wahlkreis zusammengefasst werden.

Gut, es gibt einige Schnittstellen zwischen Dörverden und den südlicheren Gemeinden – wie die Volksbank, die Bundesstraße, die Bahnlinie, die Mittelweser-Touristik oder den Grundversorger – aber sonst verbindet diese beiden Landstriche nicht gerade viel. Und genau das sieht auch der Landkreis Verden so und befürchtet Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten, da dafür Abstimmungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern aus Parteigliederungen erforderlich wären, die bislang nur selten Kontakt zueinander hatten.

Der Kreisverwaltung erscheint fraglich, ob sich die Wählerinnen und Wähler bei einer Aufteilung des Landkreises Verden in verschiedene Wahlkreise weiterhin mit ihrer Volksvertreterin oder ihrem Volksvertreter identifizieren können oder eine Distanz aufbauen, die der Demokratie nicht zuträglich wäre. Dabei sei vor allem hervorzuheben, dass wichtige Akteure in der Regionalentwicklung (Kammern, Sozialpartner) in geschlossenen Kreisgrenzen organisiert seien.

Gestörter Kommunikationsfluss

Der derzeitige Bundestagswahlkreis Osterholz-Verden weiche mit seinen rund 251.100 Einwohnern lediglich drei Prozent vom neuen Wahlkreisdurchschnitt von 258.697 Bürgern ab, kritisiert die Kreisverwaltung.

Außerdem sieht sie bei einer Zerstückelung des Landkreises Verden „den soliden Informations- und Kommunikationsfluss während der Wahl gefährdet“, weil es dann kein lokales Presseorgan mehr gebe, das mit einer Regionalausgabe das gesamte Gebiet abdecke.

„Grundsätzlich hat der Landkreis Verden mit einer Bevölkerungszahl von rund 140.000 Einwohnern gute Voraussetzungen, einen Wahlkreis zusammenhängend mit einem anderen Landkreis zu bilden, statt zerstückelt zu werden“, betont die Kreisebene. Die Kreise Verden und Osterholz bilden seit 2009 einen gemeinsamen Wahlkreis.

VN 07.12.2022