Per Transall zurück in die Heimat

  • Ob Transalls tatsächlich zum Einsatz kommen, bleibt fraglich. Denn die Maschinen können wegen der großen Ladefläche nur etwa 50 bis 60 Personen befördern. FOTO: DPA

Bund prüft Einsatz von Militärflugzeugen für Abschiebungen

VON KATHARINA ELSNER

UND PATRICK HILMES

Berlin.

Noch letzte Woche sei er dafür belächelt worden, sagt Andreas Mattfeldt. Jetzt wurde sein Vorschlag doch berücksichtigt: Am Mittwoch beriet das Bundeskabinett über Maßnahmen, wie abgelehnte Asylbewerber schneller und effektiver abgeschoben werden können. Dabei kam auch die Idee des CDU-Bundesabgeordneten für Verden und Osterholz zur Sprache, dass künftig die Bundeswehr diese Aufgabe unterstützen soll.

Wirft man einen Blick ins Grundgesetz, darf die Bundeswehr eigentlich nur in zwei besonderen Ausnahmefällen im Inland handeln: bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücken sowie zur Gefahrenabwehr, wenn die Demokratie akut bedroht ist. Wie kommt Mattfeldt nun auf die Idee, die Bundeswehr für Abschiebungen zu verpflichten? Er setzt diese besonderen Ausnahmen mit der Zu- und Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland gleich. „Das ist eine besondere Krisensituation, wer das nicht realisiert, geht naiv durchs Leben“, erklärt Mattfeldt. Und liefert noch eine andere Begründung: „Die ehrenamtlichen Helfer sind am Ende ihrer Kräfte. Die Kapazitäten der Aufnahme sind überschritten, das geht nicht mehr lange gut.“

Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, hat, positiv formuliert, kein Verständnis für Mattfeldt. „Dieser Vorschlag dürfte kaum verfassungskonform sein. Abschiebungen fallen eindeutig nicht in den Aufgabenbereich des Militärs. Dafür sind die Bundesländer zuständig“, betont Mesovic. Sie sind für derzeit knapp 200 000 in Deutschland lebende Menschen verantwortlich, die ausreisepflichtig sind. Mehr als 140 000 davon sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums aber geduldet und können gar nicht abgeschoben werden. Bleiben momentan 60 000 Menschen, die in ihrer Heimatländer zurück müssen.

Dabei sollen Flugzeuge der Bundeswehr wie die Transall oder die Truppentransporter des Modells A 310 zum Einsatz kommen. Während die Transall wegen ihrer großen Ladefläche nur Kapazitäten für 50 bis 60 Personen hat, kann ein Truppentransporter bis zu 200 Sitzplätze bieten – ähnlich wie ein klassisches Passagierflugzeug.

Für Bernd Mesovic von Pro Asyl hätte diese Abschiebung mit Militärflugzeugen eine „verheerende symbolische Wirkung. Es wäre das Signal: Die Bundesregierung geht militärisch gegen Flüchtlinge vor“, sagt Mesovic. Für CDU-Politiker Mattfeldt ist allerdings eine andere Symbolik wichtig. „Wir müssen deutliche Signale an die Herkunftsländer senden, dass wir schnell und konsequent abschieben“, fordert Mattfeldt. Dafür sei die logistische Unterstützung der Bundeswehr notwendig, nämlich da, wo zivile Busunternehmen und Fluggesellschaften nicht ausreichten.

Ob nun der Einsatz der Bundeswehr auf dem Boden des Grundgesetzes fußt, ob man das Grundgesetz weitläufig interpretieren kann oder sogar ändern muss, bleibt abzuwarten. Verfassungsrechtler und Rechtswissenschaftler sind sich noch uneinig. „Im Grundgesetz ist die Rede von Naturkatastrophen oder Unglücksfällen. Beides trifft die Situation nicht ganz, aber der Wortlaut lässt einen Spielraum“, erklärt Oliver Dörr, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Osnabrück. Andere Experten machen es von von der Durchführung und den jeweiligen Details abhängig – ob zum Beispiel nur die Flugzeuge benutzt werden oder auch Soldaten zum Einsatz kommen. Erst wenn neue Sachverhalte vorlägen, sei eine Bewertung möglich.

Politiker von Linkspartei und Grünen kritisieren den Vorschlag unterdessen scharf und fordern die Regierung auf, von dieser Idee Abstand zu nehmen. „Die Bundesregierung muss dringend wieder auf den Boden der Verfassung zurückfinden“, sagt die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke. „Abschiebungen sind polizeiliche Maßnahmen, für die der Bundeswehr jegliche Befugnisse fehlen.“ Der Grünen-Politiker Volker Beck mahnt, Abschiebungen fielen nicht in den Aufgabenbereich der Bundeswehr. „Die Militarisierung der Migrationspolitik ist nicht der richtige Weg.“

Mattfeldt dagegen hätte mit einer Änderung des Grundgesetzes keine Probleme. „Meinetwegen soll man auch das Grundgesetz ändern. Ich bin Pragmatiker, gelernter Kaufmann und habe ein Unternehmen aufgebaut. Das ist wieder typisch deutsch, diese Bürokratie, dabei hat die Kanzlerin gesagt, wir müssten flexibler handeln,“ empört er sich.

Ob zur „Flexibilität“ auch eine Beschneidung des Grundgesetzes gehört, bleibt abzuwarten. Die Unterstützung durch die Bundeswehr wird geprüft. Mattfeldt jedenfalls ist zuversichtlich, dass die Bundesregierung das Vorhaben umsetzen wird.

Weser Kurier vom 22.10.2015