Schäubles Schwarze Null steht

Schäubles Schwarze Null steht

Die Koalition spricht von einem „historischen Moment“. Zum ersten Mal seit 1969 ist der Haushalt ausgeglichen, es werden keine neuen Schulden gemacht. Die Opposition moniert Tricksereien im Etat.
VON NORBERT HOLST

Berlin. Für die Haushaltsexperten von Koalition und Opposition endet die „Bereinigungssitzung“ am frühen Freitagmorgen gegen drei Uhr so wie viele in den Jahren zuvor. Nach vierzehnstündigen Schlussberatungen gibt es in Raum 2.400 des Paul-Löbe-Hauses den üblichen erleichterten Beifall und ein Schulterklopfen unter müden Kollegen. Sekt fließt keiner.

Dabei hat der Haushaltsausschuss des Bundestags an diesem Morgen durchaus Geschichte geschrieben. Erstmals seit 1969 kommt der Etat des Bundes ohne neue Schulden aus. Die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immer wieder angekündigte Null steht tatsächlich.

Der Haushalt wird nun Ende November vom Bundestag verabschiedet. Die Ausgaben sollen nach dem Beschluss des Ausschusses bei 299,1 Milliarden Euro liegen. Das sind 400 Millionen Euro weniger als zunächst von Schäuble vorgesehen. Im Haushalt 2014 ist noch eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro veranschlagt.

Dennoch haben die Haushälter der Fraktionen den Entwurf der Bundesregierung nicht einfach abgenickt. Das würde auch nicht zum Selbstverständnis des Ausschusses passen – er gilt als überaus selbstbewusst. Und so werden quasi im letzten Moment noch diverse Etatansätze verändert. Wie immer gibt es Sieger und Verlierer.

Zu den Siegern gehört die Bundespolizei. Bei ihr, wo jahrelang gespart worden ist, gibt es einen Zuschlag von 113 Millionen Euro. Mit diesem zusätzlichen Geld sollen 406 neue Stellen geschaffen und die Ausrüstung verbessert werden. Auch andere Etatveränderungen sind von aktuellen Problemen beeinflusst. So bekommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 300 neue Stellen bewilligt. Grund: Dort stapeln sich die Anträge von Asylbewerbern. Angesichts der Kriege in Syrien und im Irak sowie der Ebola-Epidemie werden die Mittel für die humanitäre Hilfe erheblich aufgestockt. Für den vorbeugenden Hochwasserschutz – etwa Polder und Rückhaltebecken – gibt es 20 Millionen Euro. Christina Jantz, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Schwanewede, freut sich über den Beschluss: „Ganz wichtig war uns der Hochwasserschutz, hier wird mit 20 Millionen Anschubfinanzierung bereits ein erheblicher Beitrag bereitgestellt. In den folgenden Jahren werden weitere Anstrengungen erforderlich sein, damit wir auf mögliche Hochwassersituationen im Vorfeld reagieren können.“

Andreas Mattfeldt, CDU-Abgeordneter aus Langwedel, hebt hervor, dass die Gelder für die Informations- und Kommunikationstechnologie um 3,8 Millionen Euro gestiegen sind.

Aber es gibt auch Verlierer bei der Schwarzen Null. Die Infrastruktur, die Sozialkassen sowie die Steuer- und Beitragszahler, die auf Entlastungen warten müssen. Zudem hat der Ausschuss die Filmförderung von 60 auf 50 Millionen Euro gekürzt. Trotz heftigen Widerstands aus der Branche: Filmstars wie Senta Berger, Til Schweiger und Bruno Ganz hatten in einem Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel gegen die drohende Streichung protestiert. Als „unverständlich, sachlich falsch und eine für das Filmland Deutschland schlechte Entscheidung“ bezeichnet die Allianz Deutscher Produzenten die Kürzung. Die Filmförderung war das Lieblingsprojekt von Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU, Bremen), der vor einem Jahr sein Amt aufgegeben hat.

Die Koalitionäre sind auf einer Pressekonferenz am späteren Morgen trotzdem von ihrem Haushalt begeistert. Unions-Experte Norbert Barthle (CDU): „Mission erfüllt. Die Schwarze Null steht. Das ist schon ein historisches Ereignis.“ Und SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs pflichtet bei: Es sei richtig, „Jahre, wo man es sich leisten kann“, für die Null-Verschuldung zu nutzen. Die Opposition sieht das naturgemäß anders. „Die schwarze Null hat gewonnen, aber Deutschland hat verloren“, sagt Roland Claus von den Linken. Sein Kollege Sven-Christian Kindler spricht von einer Fortführung der alten Schuldenpolitik. Es gebe Einmaleffekte und Schattenhaushalte im Sozialbereich. Tatsächlich gibt es eine Milliarden-Zahlung aus Brüssel zurück. Zudem wird der Etat durch 560 Millionen Euro weniger Ausgaben bei der Versorgungskasse für Postbeamte entlastet.

So steht er nun, der erste Haushalt ohne Schulden seit 1969. Ob er aber wirklich „historisch“ ist, wird man erst wissen, wenn der Budgetausgleich am Ende des Jahres 2015 auch wirklich geklappt hat.

V N 14 11 17 schwarze Null

aus Verdener Nachrichten und Weser Kurier vom 15.11.2014