Schwarze Renten-Revolte

Mehrere, vor allem jüngere Unionspolitiker äußern Kritik an den Plänen zur Rente mit 63 – besonders an der Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Steht der Generationenvertrag über dem Koalitionsvertrag?
VON STEFANIE GRUBE
Berlin. Es wird gestritten und die Zeit der zarten Töne ist vorbei. CSU-Chef Horst Seehofer sagte gestern, er halte „gar nichts“ von Drohungen aus den eigenen Reihen, die Rente mit 63 scheitern zu lassen. „Aber so kriegt man halt Interviews.“ Seine Worte galten der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner. Die wiederum hatte gesagt, die Rente mit 63 stehe zwar als gemeinsamer Kompromiss im Koalitionsvertrag. Aber es sei nicht festgelegt, „dass sie nach dem Modell Nahles ausgestaltet wird“. Harsche Worte gegen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die am vergangenen Donnerstag das Rentenpaket im Bundestag vorgestellt hatte. Beschäftigte sollen mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Die Hauptkritik der mittlerweile über 50 Gegner aus der Union ist die Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit auf diese 45 Beitragsjahre.

Klöckner zum Beispiel ist gegen jegliches Anrechnen von Arbeitslosenzeiten. „Sollte es dies dennoch geben, dann nur sehr begrenzt“, sagte sie. Außerdem dürfe die Zeit der Erwerbslosigkeit keinesfalls am Ende eines Berufslebens stehen: „Sonst ist die Frühverrentungswelle vorprogrammiert.“ Sie befürchtet, dass sich Arbeitnehmer mit 61 Jahren ihren Job kündigen lassen, zwei Jahre lang Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen, um dann mit 63 in Rente zu gehen.

„Das ist ja nicht der viel zitierte Dachdecker, der die Rente mit 63 in Anspruch nehmen wird“, so Andreas Mattfeldt, CDU-Abgeordneter für Wahlkreise Osterholz und Verden. „Das werden vor allem Arbeitnehmende aus dem öffentlichen Dienst sein.“ Er könne die Angst der Betriebe verstehen, „dass ihnen Facharbeiter fehlen, die früher in Rente gehen.“ Mattfeldt glaubt, dass die Rentenpläne auf Kosten der jungen Generation gehen. Das sagte auch der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten: „Man muss vertragstreu sein. Nur: Es gibt eben einige in dieser Fraktion, die der Meinung sind, der Generationenvertrag steht über dem Koalitionsvertrag.“

Es ist auch ein Aufstand der Jüngeren in der Union. In den ersten 100 Tagen der Regierung gab es vor allem SPD-Wahlversprechen auf dem Tagesprogramm: Mietpreisbremse, Mindestlohn und jetzt das Rentenpaket. Das sei aber nicht der Punkt, betonte Bettina Hornhues, Bremer CDU-Abgeordnete. Die Rente mit 63, so wie sie nun stehe, sei einfach zu teuer und daher komme der Generationenvertrag auf den Tisch. Da müsse man eben laut werden. Auch wenn sie manche Punkte nicht ganz so kritisch sehe wie ihre Parteikollegen, habe sie mit dem Rentenpaket Bauchschmerzen, so Hornhues.

Das Rentenpaket von Ministerin Nahles beinhaltet auch die von der Union geforderte sogenannte Mütterrente. Deren Umsetzung wird innerhalb der CDU gefeiert, zum Beispiel von der Bremer Abgeordneten Elisabeth Motschmann. Für sie ist die Mütterrente „unglaublich wichtig“. Um „auch nur irgendeine Diskussion um die Mütterrente zu vermeiden“ nehme sie die Rente mit 63 in Kauf, erklärte Motsch-mann. „Ich bin keine Verfechterin der Rente mit 63 und ich werde sie auch nie bejubeln, aber in einer Koalition ist es ein Geben und Nehmen.“ Daher setzt sie nun auf eine Diskussion, in der auf die Kritik aus den Reihen der Union eingegangen werde. „Auch die SPD will ja nicht, dass durch die Regelung Missbrauch entsteht“, so Motschmann.

Laut Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen, die der „Rheinischen Post“ vorliegt, kostet die Anrechnung der Arbeitslosenzeiten, wie sie der Gesetzentwurf aktuell vorsieht, knapp 700 Millionen Euro pro Jahr. Mehr als die Hälfte der möglichen Rentner mit 63 waren zwischenzeitlich arbeitslos. Den Angaben zufolge waren 43,8 Prozent durchgehend erwerbstätig. 24,9 Prozent waren bis zu einem Jahr arbeitslos, 13,1 Prozent zwischen einem und zwei Jahren, 14,8 Prozent zwischen zwei und fünf Jahren und 3,4 Prozent länger als fünf Jahre.

aus Verdener Nachrichten vom 08.04.2014