Die ewige Familienministerin

Die ewige Familienministerin

„Endlich ist sie da!“ Lange mussten die Grasberger Christdemokraten auf diesen Satz ihres Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt warten. Dann aber betrat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen den Findorffhof. Sie kam zu spät und blieb nur kurz, plauderte locker und hinterließ dennoch alles andere als einen flüchtigen Eindruck.

VON LARS FISCHER
Grasberg. Politik-Prominenz in der Provinz, der Wahlkampf macht es möglich. Wer Angela Merkel hautnah erleben wollte, musste schon am Tag zuvor nach Bremen fahren. Gestern aber gab es auch in Grasberg Bundespolitik zum Anfassen: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kam zum Sommerfest der Grasberger Christdemokraten auf den Findorffhof. Erstmal kam sie aber – nicht. Was wiederum an Bremen oder vielmehr dem Autoverkehr dort gelegen haben soll.
Grasbergs Bürgermeisterin Marion Schorfmann und der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt parlierten derweil ein wenig auf Platt, bis dann ihr Star aus Berlin schließlich eintraf. Zierlich, fast ein wenig unerwartet klein, wirkt die 54-Jährige, dabei zielstrebig und verbindlich. Ein kurzes Interview fürs Fernsehen, einige Schritte über den Hof, ein paar Hände schütteln. Von der Leyen erledigt das professionell, aber nicht kurz angebunden, obwohl sie allen Anlass dazu hätte. Die Verspätung kann sie nicht hinten dran hängen, der nächste Termin sitzt ihr schon im Nacken. Eine gute halbe Stunde bleibt ihr, und die nutzt sie, ohne dabei einen flüchtigen Eindruck zu hinterlassen.
Vielleicht ist es ihr ganz recht, dass sie keine vorformulierte Rede halten muss, sondern dass es bei einer eher lockeren Talkrunde mit Mattfeldt bleibt. Der Haushaltsexperte, den sie fast zärtlich „meinen Haushälter“ nennt, spielt ihr die Vorlagen zu, die sie zielsicher verwandeln kann.
Kein großes Getöse über die Leistungen ihrer Regierung, keine Häme über die politischen Gegner, sondern ruhige, sachliche Antworten, die komplexe Themen leicht verständlich den Zuhörern nahebringen. Und in denen es immer wieder menschelt. Gefühlt ist von der Leyen noch immer Bundesfamilienministerin, wahrscheinlich weil fast jeder die Zahl ihrer Kinder sofort parat hat: sieben. In Wirklichkeit aber ist sie seit fast vier Jahren Arbeitsministerin der schwarz-gelben Koalition. Dennoch kommt sie von den familienpolitischen Themen nicht los, denn hier kann sie aus ihren eigenen Erfahrungen berichten.
Nahtstelle für sich besetzt
Sie vermittelt das Gefühl, nahe dran zu sein an den Problemen junger Familien genauso wie an den Rentnern mit ihren Sorgen. Sie besetzt die Nahtstelle zwischen den Generationen, und dann sind auch die arbeitspolitischen Themen nicht mehr fern.
Sie entrüstet sich über Billiglohnkräfte aus Osteuropa, die in der Fleischindustrie für Hungerlöhne schuften müssen, und nennt die Sache unverblümt beim Namen: „Eine Sauerei.“ Sie erzählt vom feinen Humor der Kanzlerin und wie sie sich selber in ihr neues Ressort 2009 einarbeitete.
Das einzige Problem an diesem Nachmittag: die Größe des Kofferraums der Staatskarosse. Der ist schon vor dem Besuch vollgestopft mit Geschenken. Es bedarf auch hier des „Einarbeitens“, um die Grasberger Präsentkörbe noch unterzubringen.
c/c: Wümme Zeitung v, 17.08.2013