Beim Datenschutz ging es hoch her

Beim Datenschutz ging es hoch her

  Die Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl bot den Schülern, hier Marie-Lisa Gerken und Kathrin Braje, die Gelegenheit, sich an den Vorstellungen der verschiedenen Parteien zu reiben oder anzuschließen.

„Man merkt schon, wer klare Aussagen trifft und wer eher abschweift.“

Ganz so unpolitisch und meinungslos, wie es die sinkende Wahlbeteiligung nahelegt, sind junge Menschen gar nicht. Bei der Podiumsdiskussion in den Berufsbildenden Schulen (BBS) Osterholz-Scharmbeck zu den Bundestagswahlen ging es im Gegenteil hoch her. Die fast 300 teilnehmenden Schüler wurden vor allem von dem Thema Datenschutz in Wallung versetzt.
VON KIM WENGOBORSKI
Osterholz-Scharmbeck. Mancher Schüler fragte sich nach der hitzigen Diskussion sicherlich, wie es gewesen wäre, wenn Andreas Mattfeldt (CDU) wegen eines Staus gar nicht mehr gekommen wäre. „Der war das Salz in der Suppe“, sagte Jürgen Grimm, Initiator der Veranstaltung. Mattfeldt kam etwas verspätet – Cédrik Kamlah von der FDP indes hatten die Verkehrsprobleme gänzlich ferngehalten; dabei ging es doch um liberale Reizwörter wie Datenschutz und Überwachung. Das Recht auf Persönlichkeit, wie die Schüler es nannten. Ein Thema, das die Jugendlichen anscheinend wie kein anderes interessiert.
Bei ihren Ausführungen sollten die Politiker vor allem „einen Wortschatz benutzen, den wir alle verstehen. Keine politischen Fachwörter bitte“, hatten die Moderatorinnen eingangs gesagt. Dass Schüler die Debatte leiteten, war eine bewusste Entscheidung: „So trauen sich die anderen Schüler eher mitzumachen“, erklärte Grimm.
Christina Jantz (SPD), Ole Schwettmann (Piraten), Erich von Hofe (Grüne) und Dieter Dehm in Vertretung für Herbert Behrens (Die Linke) waren untereinander und mit ihrem Publikum ungefähr einer Meinung in Punkto Datenschutz: Mehr Transparenz und eine massive Verbesserung, so die übereinstimmende Forderung. Damit ernteten sie großen Applaus.
Andreas Mattfeldt dagegen ging abwägend an das Thema heran, sprach in Anbetracht realer Terroranschläge von einer Gratwanderung zwischen Sicherheit und Persönlichkeitsrecht. „Das ist doch gar nicht real. Facebook-Speicherung hat überhaupt nichts mit Terror zu tun“, wetterte ihm ein Schüler unter grölendem Jubel seiner Mitschüler entgegen. Andere meinten, jeder Nutzer selbst sei dafür verantwortlich, was er im Internet veröffentliche. „Die haben die Schwelle unserer Tür übertreten, ohne dass sie hineingebeten worden“, meinte ein anderer Schüler, worauf hin ein Raunen durch die Menge ging. Mattfeldt dagegen versuchte die aufgebrachte Masse zu beschwichtigen. Man solle das Thema auch nicht zu sehr aufbauschen.
Berufsschullehrer Jürgen Grimm hatte zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon alles erreicht, was er wollte: Schüler, die sich an politischen Belangen beteiligen. „Entscheidend ist, dass die Schüler mitmachen.“ Die Politiker nahmen die aufgebrachte Kontroverse positiv und freuten sich über die rege Beteiligung: „Das ist Politik, so soll es sein“, waren sie sich einig.
Bei den folgenden Themen wie Erdgasförderung durch Fracking, Abschaffung von Studiengebühren in Niedersachsen oder der Energiewende wurden Jungwähler ruhiger. Sie hörten sich die Standpunkte der Parteien gelassen an und machten sich ein Bild von den Menschen in dem Politiker. Die Schülerin Marie-Lisa Gerken sagte: „So kann man sich von jedem selber eine Meinung machen. Dass es so spannend wird, habe ich überhaupt nicht erwartet. Jetzt weiß ich wenigstens, wen ich nicht wählen will.“ Ihre Freundin Kathrin Braje meinte: „Man merkt schon, wer klare Aussagen trifft und wer bei wichtigen Fragen eher abschweift.“ Dass es enorm wichtig sei, überhaupt eine Stimme abzugeben, hatten die beiden zuvor im Politikunterricht erfahren: „Jede Stimme die nicht abgegeben wird, fällt der Partei zu, die man eigentlich nicht will“, sagte Marie-Lisa Gerken. Die 18-Jährige möchte auf alle Fälle an der Wahl teilnehmen.
Was andere Jugendliche von der Teilnahme an Wahlen abhält, das glaubt Doreen Lindemann zu wissen: „Die Menschen denken wahrscheinlich, dass ihr Thema nicht bei den Parteien vertreten wäre.“ Sie selbst habe die richtige Partei für sich schon gefunden. „Jetzt kann ich noch besser sagen, wofür ich bin. Bei uns im Landkreis spielen vor allem Menschlichkeit, Bodenständigkeit und das Familiäre eine große Rolle“, sagte die Schülerin. Aufregend sei es, einfach mal zu sehen, wie der Mensch vom Plakat in echt rüberkommt. Die Diskussion selbst fand Doreen spannend, die Politiker seien gut auf die Jugend eingegangen. Langeweile könne nur aufkommen, wenn kein eigenes Interesse für die Themen da sei.
 
c/c: Osterholzer Kreisblatt v. 28.08.2013
c/c: Wümme Zeitung v. 28.08.2013