Wie groß ist das Risiko?

Das Bundesumweltamt hat vergangene Woche ein Gutachten mit dem Titel „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten – Teil 2“ vorgestellt. Darin geht es auch um die Gefahr von Erderschütterungen durch Erdgasförderung.
VON MICHAEL KERZEL

Langwedel. Eine Studie des Bundesumweltamts versucht zu klären, welche Gefahren die Förderung von Erdgas birgt. Dabei betrachten die Forscher vor allem, wie sich Fracking auswirkt. Probleme wie eine erhöhte Gefahr von Erdbeben oder anfallendes, mit Giftstoffen belastetes Lagerstättenwasser, das bei der Erdgasförderung zu Tage tritt, betreffen jedoch auch Förderfelder, wo nicht (mehr) gefrackt wird – so wie in Langwedel. „Es erstaunt mich, dass die Experten die Folgen dieser Technologie trotz jahrelanger Anwendung nicht oder nicht ausreichend abschätzen können“, meinte die Bundestagsabgeordnete Christina Jantz (SPD).

Risiko nicht einschätzbar. Auch Langwedels Bürgermeister Andreas Brandt (SPD) sagte, dass es keine klaren Erkenntnisse gebe, beispielsweise darüber, wie Lagerstättenwasser entsorgt werden solle. Es sei nicht abschließend erkundet, ob das Verpressen die Erdbebengefahr erhöhe. Im Studienentwurf steht, dass bei allen Eingriffen in den Untergrund eine „seismische Gefährdung“ möglich sei. Während der Erdgasförderung selbst sei jedoch keine „signifikante Erhöhung“ der Erdbebengefahr zu erwarten. Beim Verpressen von Lagerstättenwasser bestehe diese prinzipiell, sei jedoch beherrschbar .

Trotzdem empfehlen die Experten, dass ein Seismologe die Erdgasförderung begleitet, Gesetzesänderungen seien aus seismologischer Sicht jedoch nicht notwendig. Es müsse allerdings Basisgutachten durch externe und unabhängige Gutachter geben. „Die Studie kann nur einen Anstoß geben, regeln muss das letztlich die Politik“, sagte Brandt. Es müsse geklärt werden, was passieren kann und ob sich das Risiko lohne, Erdgas zu fördern. Und wo. „Bei uns im Flecken ist die Bevölkerungsdichte höher als in anderen Regionen mit Erdgasfeldern“, betonte Brandt. Er lobte, dass es wissenschaftliche Untersuchungen geben soll. „Aber das Versuchskaninchen wollen wir nicht sein.“ Theoretisch höre es sich gut an, dass Lagerstättenwasser dorthin gepresst werden solle, wo es herkomme. „Doch ob das wirklich funktioniert und welche Auswirkungen das hat, wissen wir nicht“, sagte Brandt.

In Völkersen gibt es eine potenzielle Verpressstelle nur wenige Hundert Meter entfernt von einem Trinkwasserschutzgebiet. „Die Suche nach Verpressstellen wird zukünftig so schwer wie die Suche nach Atommülllagerplätzen“, meinte Brandt.

Laut Studienentwurf sind die Umweltauswirkungen von Fracking wenig systematisch untersucht. „Solange die einzelnen Risiken des Frackprozesses nicht einschätzbar sind, sollten wir die Technologie nicht nutzen“, sagte Christina Jantz. Das Gutachten können nur der Anfang eines langfristigen Untersuchungsprozesses sein.

Kritisch sieht der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) den Umgang der Großen Koalition mit dem Thema Erdgasförderung. „Ob Fracking oder nicht: es gibt – zumindest bisher – keinen sicheren Umgang mit Lagerstättenwasser“, sagte er. Solange dieser nicht geklärt sei, solle an Erdgasförderung überhaupt nicht gedacht werden. „Auch der Umgang mit Erdbebenschäden durch Erdgasförderung ist nicht geklärt. Es gibt einfach viel zu viele ungelegt Eier in diesem Bereich“, sagte Mattfeldt. Er kritisierte zudem den Koalitionspartner: „Das rotgeführte Nordrhein-Westfalen und die Umweltministerin Barbara Hendricks, die eng verbunden ist mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Energie und Chemie (IG BCE), haben bewirkt, dass im Koalitionsvertrag der Erdgasförderung Tür und Tor geöffnet wurden.“