Zwei Euro Stromkosten für 150 Kilometer

Citroën-Händler stellt in Verden einziges E-Auto aus Großserienproduktion für Probefahrten zur Verfügung

Von Johannes Heeg / Verden. Viele reden von der Elektromobilität. Autos werden flüsterleise und pusten keine Abgase in die Luft. Kleine Elektromotoren sorgen in Fahrrädern für „eingebauten Rückenwind“. Das hört sich gut an. Doch wie weit ist diese Verkehrswende in Verden? Sind die neuen Zeiten bereits angebrochen?

Die Zukunft des Automobils ist derzeit nur in einem einzigen Verdener Autohaus zu bestaunen. Beim Citroën-Händler Kühn steht mit dem C-Zero das erste alltagstaugliche Elektro-Großserienauto, das man in der Domstadt tatsächlich probefahren und kaufen kann. Der Einstieg ins elektromobile Zeitalter ist allerdings nicht eben billig. 35700 Euro verlangt Kühn für den Franzosen, der von Mitsubishi in Japan gebaut wird. „Allein der Akku kostet als Ersatzteil 12000 Euro“, sagt Firmenchef Frank Kühn.

 

Der vergleichsweise hohe Preis des Kleinwagens sei sicher ein Grund, warum er bislang noch kein Exemplar verkauft habe, vermutet der Händler. Hinzu komme die relativ geringe Reichweite von maximal 160 Kilometer mit einer Akkuladung. Diese Strecke werde allerdings nur erreicht, wenn der Wagen nicht allzu schnell bewegt werde. „Mit 100 Stundenkilometern auf der Autobahn kommt man nur 60 Kilometer weit“, berichtet Kühn. Verden-Bremen und zurück, das werde dann „sehr eng“.
Kühn: „Das ist kein Auto, mit dem man in Urlaub fahren kann, dafür aber ein idealer Stadtwagen.“ Eine Probefahrt bestätigt das: Der C-Zero (Zero heißt Null und steht für Null Emission) beschleunigt flott und ist dabei absolut leise. Erst außerhalb der Stadt, bei Tempo 60 bis 70, sind Reifen- und Windgeräusche zu vernehmen.

Aber der Reihe nach. Will man den Motor starten, dreht man den Zündschlüssel wie bei jedem anderen Auto nach rechts – und es passiert scheinbar nichts. Außer, dass es „pling“ macht und eine Anzeige mit dem Hinweis „Ready“ aufleuchtet. Die signalisiert, dass die Fahrt beginnen kann. Vorher muss nur der Wählhebel (wie man ihn von Automatik-Autos kennt) von „P“ (wie Parken) auf „D“ (wie „drive“, also fahren) geschoben werden, dann gibt man Gas und das Auto strebt vorwärts. Und zwar ziemlich geräuscharm. Höchstens ein leises Surren ist zu hören. „Man muss sehr umsichtig fahren“, sagt Frank Kühn, „denn Fußgänger nehmen das Auto nicht so früh wahr wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Auspuff.“ Auch auf der Landstraße lässt sich das Elektroauto zügig bewegen, Überholmanöver sind kein Problem. Beim Durchtreten des „Gaspedals“, das eigentlich Strompedal heißen müsste, bewegt sich der Zeiger des Zentral-Instruments im Cockpit allerdings sofort vom sparsamen Eco- zum durstigen Power-Modus.

Bleibt man dabei, geht es mit der Reichweite rasant bergab. Beim Gaswegnehmen pendelt der Zeiger in den „Charge“-Bereich. Das bedeutet, dass der Motor, der sonst Strom verbraucht, in diesem Moment als Generator arbeitet und die Batterie auflädt. Das erhöht die Reichweite. Auf deren Kosten bedienen sich wiederum elektrische Verbraucher wie Licht, Heizung, Klimaanlage, beheizte Heckscheibe, Sitzheizung und Autoradio aus dem Akku, der zur besseren Gewichtsverteilung als flaches Paket verteilt unter dem Fahrzeug montiert ist. Der 76 PS starke Elektromotor ist an der Hinterachse montiert.
Aufgeladen wird der Akku entweder mit dem mitgelieferten Ladegerät an jeder normalen 220-Volt-Steckdose, was etwa sechs Stunden dauern soll. Schneller geht’s auch, allerdings nur an Spezialsteckdosen, die 400 Volt liefern. In 30 Minuten könne die Batterie so zu 80 Prozent geladen werden, sagt der Hersteller.

Einmal vollladen koste etwa zwei Euro, sagt Autohändler Kühn. Für die gleiche Strecke – 150 Kilometer – müsste ein vergleichbares Auto wie der Citroën C 3 mit neun Litern Benzin betankt werden, was mit rund 15 Euro zu Buche schlägt. Bei den Betriebskosten bleibt der C-Zero also klarer Sieger. Allerdings kostet ein C 3 auch 20000 Euro weniger als der Elektro-Flitzer. Daher verspricht sich der Händler vorerst kein großes Geschäft mit den E-Autos. Warum er sich trotzdem eines auf den Hof stellt, erklärt er so: „Ich bin eben offen für Neues. Ich will zeigen, dass es solche Autos gibt.“ Er sei sicher, dass die Preise der Akkus sinken und die Reichweiten der Autos steigen würden. „Die Entwicklung geht ja immer weiter“, so Kühn.
Das sagt auch der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. Er sei ein „Elektro-Auto-Fan“, betont der Langwedeler, der jetzt in Berlin einen Wagen vom Typ „Tesla“ testen durfte. Der amerikanische Sportwagen ist noch viel teurer als Kühns Citroën, er kostet rund 100000 Euro und schafft es „in vier Sekunden von Null auf Hundert“, weiß Mattfeldt inzwischen. Das zeige, dass Elektromobilität und Fahrspaß sich nicht ausschließen müssten.

Mattfeldt verweist auf den Koalitionsvertrag, wonach bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren sollen. Dieses Ziel halte er zwar für „fast schon zu ehrgeizig“, gleichwohl habe die Bundesregierung aber insgesamt 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt, um die E-Mobilität voranzubringen. „An den Batterien muss noch viel geforscht werden“, sagt der Politiker.
Parallel dazu müsse die Praxistauglichkeit der E-Mobile getestet werden. Dies geschehe derzeit bundesweit in acht Modellregionen. Eine davon ist Bremen-Oldenburg. Sie habe gute Chancen, vom Verkehrsministerium zu einer „Schaufensterregion für Elektromobilität“ aufgewertet zu werden, so der Bundestagsabgeordnete. „Dann würden hier nicht hundert, sondern vielleicht 2000 Elektroautos fahren“, meint Mattfeldt. Die Entscheidung darüber falle 2012.

Schon weiter als die Deutschen seien die Österreicher. „In Salzburg habe ich mir das neulich mal angesehen. Da gibt es viel mehr öffentliche Ladestationen für Autos und Elektrofahrräder als bei uns“, berichtet der Abgeordnete. Ganz wichtig sei es, die Bahnhöfe mit Ladestationen auszustatten. Ökologisch noch sinnvoller würden Elektrofahrzeuge, wenn deren Akkus mit Ökostrom aufgeladen werden. „Und zwar am besten dann, wenn dieser im Überfluss zur Verfügung steht – also nachts“, sagt Mattfeldt. Mit intelligenten Stromnetzen, so genannten „Smart Grids“, und intelligenten Ladestationen lasse sich das technisch lösen.

Ebenfalls kein großes Problem sei der zu erwartende Strom-Mehrverbrauch durch die Elektromobilität. „Selbst wenn alle Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ersetzt würden, stiege der Stromverbrauch in Deutschland nur um zehn bis 15 Prozent. Das ist leistbar“, so Mattfeldt.

Elektromobilität ist auch für die Verdener Stadtwerke ein Thema. „Wir planen zwei öffentlich zugängliche Ladestationen für jeweils zwei Autos“, kündigt Geschäftsführer Joachim Weiland an. Eine solle voraussichtlich noch in diesem Jahr am Verwaltungsgebäude am Allerufer aufgestellt werden, der zweite Standort stehe noch nicht fest, solle aber in der Innenstadt sein. „Das klären wir gerade mit der Stadt ab“, so Weiland. Das Aufladen soll für die Fahrer von Elektroautos und -rollern nach Angaben des Stadtwerke-Chefs „bis auf Weiteres kostenlos“ sein.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 19.09.2011