Diskussion um Hilfen / Ringen um neue Regierung

Der Druck auf Griechenland wächst

Während in Griechenland der dritte Versuch läuft, eine Koalitionsregierung zu bilden, diskutiert Europa über die Zukunft der Union und des Euro. Ratschläge gibt es viele: Stopp der Hilfszahlungen, die Staatspleite oder abwarten und kühlen Kopf bewahren? Doch trotz der unsicheren politischen Lage in Athen ist gestern eine weitere Hilfszahlung an das hochverschuldete Land geflossen.

Von Hans-Ulrich Brandt und Norbert Pfeifer
Bremen·Berlin. Die Lage in Griechenland ist so unsicher wie noch nie seit Beginn der Schuldenkrise: Die Parlamentswahlen vom Sonntag haben bisher keine Mehrheit für Parteien gebracht, die den mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparkurs unterstützen. Sowohl Konservative wie die radikale Linke sind mit der Regierungsbildung gescheitert. Jetzt versuchen es die Sozialisten. Immer häufiger werden aber bereits Neuwahlen ins Spiel gebracht.

Der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit (Grüne) sieht ohne Hilfe von außen sogar die Gefahr eines Putsches: „In Griechenland ist der politische Raum eingestürzt, man muss ein Signal der Hoffnung setzen. Wenn man die Griechen sich allein durchwursteln lässt, dann riskiert man einen Militär-Putsch.“ Ein Ausstieg Athens aus der Euro-Zone sei nicht machbar. Es müsse vielmehr mit den Griechen ein Weg gesucht werden, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen könnten.

Noch aber steht Griechenland nicht ohne Hilfe da. Die Euro-Länder beschlossen gestern, eine weitere Milliarden-Überweisung an das bankrotte Land. Die Hilfszahlung fiel allerdings mit 4,2 Milliarden Euro um eine Milliarde geringer aus als ursprünglich geplant. Dieses Geld soll erst dann gezahlt werden, wenn es wirklich benötigt werde, begründete das Direktorium des Euro-Krisenfonds die Maßnahme.

Die Kürzung der EU-Hilfe zeigt: Der Druck auf Athen wächst, endlich Klarheit über den weiteren politischen Kurs des Landes zu schaffen und am bisher zugesicherten Spar- und Reformkurs festzuhalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte gestern in einer Regierungserklärung deutlich, dass sie kein „Wachstum auf Pump“ akzeptieren werde. Sie betonte jedoch, dass Schuldenabbau und Stärkung von Wachstum durch Strukturreformen die beiden Säulen seien, mit denen die Staatsschuldenkrise überwunden werden müsse. Damit kommt sie der Forderung des künftigen französischen Präsidenten Fran ois Hollande entgegen, der den Fiskalpakt durch Wachstumsimpulse ergänzen will.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangten gestern von Griechenland Vertragstreue. Nur so könnten weiter EU-Hilfen fließen. CSU-Europapolitiker Markus Ferber und der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler hingegen forderten den sofortigen Stopp der „verantwortungslosen“ Zahlungen. Die Bremer Grünen-Europaabgeordnete Helga Trüpel sagte: „Jetzt müssen die Griechen springen: Raus aus dem Euro oder drin bleiben? Bekennen sie sich zu Europa, müssen wir ihnen auch weiterhin helfen.“ Nur mit Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen werde das jedoch nicht gehen, auch Wachstums- und Investitionsprogramme seien nötig.

Eva Quante-Brandt, Bremens Bevollmächtigte beim Bund, sieht „keine Gefahr“ für einen Austritt Athens aus der Euro-Zone. Griechenland sei aber „zu sehr in die Ecke getrieben“ worden. Es sei daher richtig, eine weitere Hilfszahlung bereitzustellen, um die Lage zu beruhigen.

Andreas Mattfeldt, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Langwedel, fordert, die Hilfszahlungen erst einmal auf Eis zu legen. Die Geschäftsgrundlage, wonach die EU Athen Hilfen gegen zusätzliche Reformen im Land gewährt, sei derzeit entfallen. „Erst mit einer neuen Regierung, die den Sparkurs unterstützt, können weitere Hilfen fließen“. Vermutlich werde es zu Neuwahlen kommen. „Diese Chance sollten wir Griechenland geben.“

Eindeutig gegen jede weitere Zahlung ist der Bremer FDP-Abgeordnete Torsten Staffeldt. Trotz zahlreicher Transfers sei die Lage im Land nicht besser geworden. „Ich denke, die Griechen werden erkennen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, den Euro-Raum zu verlassen. Dann sollten wir ihnen keine Steine in den Weg legen.“ Wenn Athen die Drachme wieder einführte und die Währung abwertete, könnten die Firmen wieder wettbewerbsfähig werden.

Für „Nüchternheit und Ruhe“ wirbt Carsten Sieling. Einiges deute auf Neuwahlen hin, so der Bremer SPD-Abgeordnete. „Sinnvoll wäre es, diese mit einem Referendum zu verbinden, wie die Griechen es mit dem Spar- und Reformkurs halten.“ Jetzt schon nach drastischen Reaktionen zu rufen, sei „verantwortungslos. Ein Austritt aus dem Euro-Raum würde die Probleme ja nicht einfach beseitigen.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 11.05.2012