„Ein wichtiger Schritt für die Ortsumgehung“

Es war mühsam, bis die Kalender der viel gefragten Gesprächspartner endlich einen möglichen Termin für alle ausspuckten. Zeitweise hatten die Fädenzieher im Hintergrund schon nicht mehr daran geglaubt. Doch Mittwochmittag geben fünf Fachleute der Ortsumgehung Ritterhude (B 74-neu) gemeinsam einen wichtigen Schub. Nur wenig später rückt das Vorhaben in greifbare Nähe. Nun heißt es: „Das Projekt erscheint trotz hoher umweltfachlicher Hürden genehmigungspflichtig.“
VON HARRY LAUBE
Landkreis Osterholz·Berlin. „Wir sind einen entscheidenden Schritt weiter, denn das Bundesverkehrsministerium hat mit heutigem Stichtag die Ressortabstimmung für die Ortsumgehung Ritterhude / Scharmbeckstotel eingeleitet. Hartnäckigkeit lohnt sich, denn hierfür werbe ich gemeinsam mit dem Landkreis Osterholz schon seit Jahren beim Bundesverkehrsministerium“, freut sich gleich nach dem Gespräch der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. 
Der Haushaltsparlamentarier hat sich seit langem in dieses Verkehrsthema verbissen, wissen Insider in Berlin. Das eint ihn mit anderen, die gestern am Tisch im Bundesverkehrsministerium darum ringen, wie die Ortsumgehung Ritterhude / Scharmbeckstotel im Zuge der B 74 möglichst schnell in den sogenannten Vordringlichen Bedarf des nächsten Bundesverkehrswegeplans eingestuft werden kann – das sind die Projekte, die im Planungszeitraum auch tatsächlich umgesetzt werden sollen. Die Anmeldung dafür muss durch das Land Niedersachsen erfolgen.
Neben Mattfeldt am Tisch: der ehemalige Osterholzer Landrat und heutige Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei, Jörg Mielke, sein Nachfolger, Landrat Bernd Lütjen samt zuständigem Dezernenten Richard Eckermann und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann. Per Videokonferenz zugeschaltet: ein Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums in Bonn.
Wie wichtig dieses Gespräch tatsächlich ist, zeigt ein Kurzbrief Ferlemanns, der wenig später die Beteiligten erreicht und der auch dem OSTERHOLZER KREISBLATT vorliegt: „Nach unserem heutigen Gespräch freue ich mich ihnen mitteilen zu können, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nach Prüfung der Linienbestimmungsunterlagen zu der Einschätzung gelangt ist, dass das Vorhaben trotz der anerkannten hohen umweltfachlichen Hürden insgesamt genehmigungsfähig erscheint. Eine abschließende Beurteilung erfolgt nach der Beteiligung der Bundesressorts.“
Ab jetzt hat das Bundesumweltministerium drei Monate Zeit, den naturschutzfachlichen Aspekt zu prüfen und eine Stellungnahme abzugeben. Die Ortsumgehung streift die unter besonderem Naturschutz stehende Hammeniederung. Deshalb muss das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz prüfen, inwiefern naturschutzfachliche Aspekte berührt sind. Das Bundesverkehrsministerium ist nach dem intensiven Gespräch der Ansicht, dass der verkehrliche Bedarf die naturschutzfachlichen Bedenken überwiege.
„Es sind natürlich noch nicht alle Knoten in dieser Sache durchschlagen, aber das ist ein wichtiger Meilenstein“, freut sich Landrat Bernd Lütjen in einem Telefonat mit der Redaktion. „Die Grundlagen für die Entscheidung liegen dem Bund seit zwei Jahren vor.“ Seither sei nichts passiert. Die Kreisverwaltung habe mehrfach nachgehakt, der Kreistag eine Resolution verfasst. „Jetzt endlich geht es voran. Entscheidend ist allerdings, dass wir in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes kommen“, erläutert der Osterholzer Landrat. Sonst sei mit einer Umsetzung der Ortsumgehung in den nächsten Jahrzehnten nicht zu rechnen.
„Ich gehe davon aus, dass die Linienbestimmung Ende des Jahres abgeschlossen werden kann. Dies ist notwendig, damit das Projekt reif ist, in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen zu werden“, erklärt Andreas Mattfeldt. Allerdings sei es möglich, dass die EU-Kommission im folgenden Planfeststellungsverfahren Einspruch erhebe oder Auflagen mache. 
Gerade deshalb sei es wichtig, dass das Bundesministerium für Umwelt und das Bundesamt für Naturschutz jetzt bei der sogenannten Linienbestimmung „sehr kritisch auf das Vorhaben schauen, damit alle Beteiligten rechtzeitig ihre Hausaufgaben machen können und etwaige Bedenken ausräumen könnten“, heißt es am Abend in Berlin. Je genauer die naturschutzfachlichen Auflagen berücksichtigt würden, desto wahrscheinlicher sei ein reibungsloseres Planfeststellungsverfahren.
Damit auch im SPD-geführten Umweltministerium das Interesse des Landkreises und seiner Bürger nachdrücklich vernommen werden, hat Landrat Lütjen die SPD-Bundestagsabgeordnete Christina Jantz gleich nach dem Gespräch informiert und in Stellung gebracht: „Sie will Dampf da machen.“ 
Alle Beteiligten seien sich einig, dass sie weiter gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, damit die Ortsumgehung realisiert werden kann, sagt Andreas Mattfeldt. „Nicht nur die direkt betroffenen Menschen in den Ortschaften, durch die die B74 führt, sondern auch alle diejenigen, die täglich die B 74 befahren, warten händeringend auf die Realisierung der Ortsumgehung. Deshalb werde ich weiter dafür kämpfen, dass wir uns diesem Ziel Schritt für Schritt nähern.“

 


Es wird noch Jahre dauern, bis sich die Blechlawine nicht mehr durch Ritterhude und Scharmbeckstotel quälen muss – jetzt wächst die Hoffnung, dass nicht Jahrzehnte daraus werden. FOTO: M. WILKE
 
Osterholzer Kreisblattt vom 5.6.2014
Die Norddeutsche und die Wümme Zeitung vom 6.6.2014