Kommunen hoffen auf Hilfe

Kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD hat der Deutsche Städtetag Entlastungen für die Kommunen gefordert. Insbesondere die Sozialausgaben belasten die Haushalte vieler Städte und Gemeinden. Das Thema wird auch in den anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD eine Rolle spielen.

VON BEN ZIMMERMANN
Bremen. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen in Deutschland könnte zum Streitpunkt in den anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD werden. Während die Sozialdemokraten in ihren am Wochenende vom Parteikonvent beschlossenen zehn Kernforderungen auch die finanzielle Stärkung der Städte und Gemeinden sowie deren Entlastung bei den Sozialleistungen aufführen, pocht die Union auf einen schärferen Sparkurs.
Der Deutsche Städtetag fordert seinerseits eine weitere Befreiung von allgemeinen Sozialaufgaben. Gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus: „Die schwierige Finanzsituation strukturschwacher Städte ist nicht länger hinnehmbar und muss von einer neuen Bundesregierung dringend verbessert werden.“ Bei dem Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Sieling stößt Articus auf offene Ohren. „Die Klage ist berechtigt“, sagt der Finanzpolitiker. Viele Kommunen hätten wegen der Probleme ihre Investitionen weitgehend zurückgefahren; Der Investitionsstau belaufe sich insgesamt auf 700 Milliarden Euro. Auch Bremens finanzielle Probleme lägen vor allem im kommunalen Bereich.
Gemeinsam mit dem Bremer SPD-Chef Andreas Bovenschulte und dem Wirtschaftsforscher Rudolf Hickel hat Sieling ein Konzept für einen Altschuldenfonds entwickelt. Kern des Plans: Die Schulden der Kommunen – aber auch der Länder – werden in einem Fonds gebündelt, wobei der Bund die Zinslast trägt.
Etwas Ähnliches schwebt dem Finanzwissenschaftler André Heinemann vor. Zwar sprudelten die kommunalen Einnahmen („Die Gewerbesteuer geht durch die Decke“), doch seien sie sehr ungleich verteilt. Eine Entschuldung der Haushalte, um wieder Kapazitäten für notwendige Investitionen zu schaffen, sei dringend nötig, erklärt der Juniorprofessor für bundesstaatliche und regionale Finanzbeziehungen an der Universität Bremen. Langfristiges Ziel sollte deshalb ein Schuldenfonds sein, der nach dem Auslaufen des Länderfinanzausgleichs und des Solidarpakts II im Jahr 2019 eingerichtet werden könne, so der frühere Landeschef der Grünen.
Dass die Verteilung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und insbesondere Kommunen in der neuen Legislaturperiode „ein großes Thema“ wird, wünscht sich auch Andreas Mattfeldt, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Verden-Osterholz. Allerdings sieht der Haushaltspolitiker auch die Kommunen in der Pflicht. Die seien in den vergangenen vier Jahren bereits erheblich entlastet worden und verzeichneten steigende Einnahmen. Mattfeldt spricht vom Zwei-Klassen-Problem: Während es einigen Gemeinden finanziell gut gehe und sie ihre Haushalte saniert hätten, würden andere weiterhin mehr Geld ausgeben als einnehmen.
Mattfeldts Sorge: Zusätzliche Hilfen könnten versickern. „Nur das Füllhorn über alle auszuschütten, bringt nichts.“ Er könne sich zwar bei notleidenden Kommunen „die Übernahme von Schuldzinsen für einen gewissen Zeitraum“ vorstellen, so der Christdemokrat. Doch für diese Hilfe müsse es – wie bei der Euro-Rettungspolitik auf europäischer Ebene – eine Gegenleistung geben: Reformen und die Konsolidierung der Haushalte.
c/c. Weser-Kurier vom 22.10.2013