Steuerzahlern drohen Milliardenlasten

Auf Steuerzahler kommen zusätzliche Belastungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu. Berechnungen des Bundesfinanzministeriums zeigen, dass allein im Jahr 2017 durch die kalte Progression etwa acht Milliarden Euro mehr an Steuern gezahlt werden müssen als noch im laufenden Jahr. Nur das Anheben des Grundfreibetrags könnte die Bürger davor bewahren.
VON MAX POLONYI UND BASTIAN MOJEN

Berlin. Gut 17,5 Milliarden Euro mehr – das ist die Summe, welche die Steuerzahler in den nächsten vier Jahren zusätzlich aufbringen müssen. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums wird der Staat durch die sogenannte kalte Progression allein im Jahr 2017 etwa acht Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen als im laufenden Jahr – sofern der Grundfreibetrag nicht erhöht werde. In einer Antwort des Ministeriums auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion werden die Zahlen aufgeschlüsselt: Die kalte Progression würde sich demnach 2014 mit gut 2,4 Milliarden Euro bemerkbar machen. Weil aber Anfang des Jahres der Grundfreibetrag angehoben werde, liege die tatsächliche Mehrbelastung für die Steuerzahler nur bei 770 Millionen Euro.

Dennoch: „Das sind heimliche Steuererhöhungen, von denen die Parteien vor der Wahl versprochen haben, dass sie nicht erhoben werden“, kritisierte Bernhard Zentgraf, Vorsitzender vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen. „Da bereichert sich der Staat an Lohnzuwächsen der Bürger, das ist nicht in Ordnung.“ Auch die Erhöhung des Grundfreibetrages, des steuerfreien Einkommens, könne den Effekt der kalten Progression kaum mildern. „Das wäre nur ein erster Schritt, der keinem wirklich weiterhilft“ , sagte er. Zentgraf fordert deshalb, dass sich die Einkommenssteuer samt Grundfreibetrag an der Gesamtentwicklung der Einkommensverhältnisse in Deutschland messen soll.

Auch der Verdener Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) kritisiert die Zahlen aus dem Finanzministerium: „Die Abmilderung der kalten Progression war vor der Wahl Hauptthema – jetzt fällt es unter den Tisch“, sagte er. Solche „indirekten Steuererhöhungen“ belasteten vor allem Arbeitnehmer mit niedrigeren und durchschnittlichen Jahreseinkommen. „Diejenigen, die den Karren in Deutschland ziehen, dürfen nicht noch mehr belastet werden“, so der Abgeordnete.

Carsten Sieling (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Bremen, fordert dagegen eine echte Steuererhöhung und sieht die Verantwortung für die indirekt steigende Abgabenlast bei der CDU: „Wer es wirklich ernst meint, muss sagen, wie ein Ausgleich der kalten Progression finanziert werden soll.“ Das könne nur erreicht werden durch die stärkere „Besteuerung sehr hoher Einkommen und Vermögen“. Doch das lehne die „Union aus ideologischen Gründen“ ab.

Die Grünen fordern hingegen „die Anhebung des Steuerfreibetrags“, wie die Bremer Abgeordnete Marieluise Beck betonte. Damit würde jenen geholfen, „die es am härtesten trifft.“ Sie sieht aber auch die Notwendigkeit, „das Steuersystem neu auszurichten“, weil das Land Bremen seinen Finanzbedarf mit dem derzeitigen System nicht decken könne.

Die kalte Progression ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Erhält zum Beispiel ein Arbeitnehmer mehr Lohn, der gerade einmal die Inflation ausgleicht, hat er zwar mehr Geld auf dem Konto, kann sich aber davon nicht mehr kaufen, weil die Preise für Miete, Öl, Benzin, Nahrung und Kleidung ebenfalls gestiegen sind. Gleichzeitig muss er für seinen höheren Lohn mehr Steuern zahlen. Unter dem Strich steht ihm also weniger Geld zur Verfügung als vorher.