Streit über Entsorgungsmethode

Der Energiekonzern RWE Dea will das bei der Erdgasförderung anfallende Lagerstättenwasser auch in Zukunft durch Verpressen ins Erdreich entsorgen – umweltverträglicher als bisher, wie das Unternehmen verspricht. Umweltschützer und Politiker sind empört.
VON HANS ETTEMEYER

Langwedel.Das Energieunternehmen RWE Dea hält an seinem Konzept für die Entsorgung des sogenannten Lagerstättenwassers fest. Es will die bei der Erdgasförderung anfallende, stark mit gesundheitsgefährdenden Stoffen belastete Flüssigkeit weiter in den Boden verpressen – allerdings wesentlich tiefer als bisher und zuvor von einigen Schadstoffen befreit. Umweltschützern und Politikern reicht das nicht. „Das ganze Dorf ist empört“, sagt Andreas Noltemeyer von der Bürgerinitiative „No Fracking“ in Langwedel-Völkersen (Kreis Verden). Der Langwedeler Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) fordert, das Verpressen von giftigem Lagerstättenwasser zu verbieten – und übt heftige Kritik am RWE Dea-Vorstandsvorsitzenden Thomas Rappuhn.

Mehr als eine Million Kubikmeter Lagerstättenwasser fallen jedes Jahr bei der Erdgasförderung in Niedersachsen an. Umweltschützer kritisieren den ihrer Ansicht nach allzu sorglosen Umgang mit der Flüssigkeit. Immer wieder ist es zu Leckagen gekommen, Grundwasser und Erdreich wurden verseucht. Beim jüngsten Vorfall traten vor zwei Wochen im Erdölfeld Georgsdorf (Kreis Grafschaft Bentheim) an einem undichten Verbindungsstück zwei Kubikmeter der Flüssigkeit aus. Nicht zuletzt auf öffentlichen Druck hat das Landesbergamt die Energieunternehmen aufgefordert, bis Ende 2014 neue Entsorgungskonzepte vorzulegen.

RWE Dea hat nun als erstes Unternehmen reagiert – es will an der bisherigen Praxis festhalten und die Flüssigkeit weiter verpressen. Allerdings nicht mehr wie bisher nur in eine Tiefe von etwa 1000 Metern, sondern 5000 Meter tief – dorthin, wo es herstammt. Vorher solle es gereinigt und aufgearbeitet werden, sagt RWE Dea-Sprecher Derek Mösche, „und zwar intensiver als das bisher schon geschieht.“ So werde unter anderem ein Teil des Benzols sowie das Quecksilber herausgefiltert. Ein Gutachter-Team habe das Verpressen als die umweltverträglichste Lösung unter verschiedenen Optionen empfohlen. In der Tiefe ist nach Ansicht der Gutachter „ein sicherer Verbleib des Lagerstättenwasser gewährleistet“. Weitere Vorteile seien „ein geringer Ressourcenverbrauch, geringe Emission, ein sicherer Transport sowie ein geringes Abfallaufkommen“.

Nach der Aufbereitung soll das Lagerstättenwasser zentral in der bestehenden Bohrung Völkersen Nord Z3 verpresst werden. Eine dezentrale Aufbereitung ist nach Ansicht der Gutachter „eindeutig ökologisch nachteiliger“. „Wir müssten dann ja auch an jedem Förderplatz aufwendige Aufbereitungsanlagen aufbauen“, sagt Derek Mösche. Das Konzept „Rückführung an den Herkunftsort“ werde jetzt dem Landesbergamt zur Genehmigung vorgelegt.

„Wenn das genehmigt wird, sind wir schlimmer dran als vorher“, sagt Andreas Noltemeyer, Sprecher der Bürgerinitiative „No Fracking“. Bis vor einigen Monaten wurde das Lagerstättenwasser aus Völkersen im benachbarten Verden entsorgt – mitten in einem Trinkwassergewinnungsgebiet, was inzwischen verboten ist. Zurzeit wird die Flüssigkeit nach Wittorf im Landkreis Rotenburg transportiert und dort in den Boden versenkt. Setzt sich RWE Dea durch, würde das Lagerstättenwasser künftig direkt in Völkersen in den Boden geleitet. „Das wollen wir nicht“, sagt Noltemeyer, „die Sache muss zunächst grundsätzlich geklärt werden“.

Das will auch der in Völkersen lebende CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt, der bereits im Zusammenhang mit der umstrittenen Erdgasfördermethode Fracking eine Verschärfung des Umweltrechts gefordert hat. „Wenn giftige Frackingzusätze nicht mehr in den Boden eingebracht werden dürfen, muss das Verbot auch für giftiges Lagerstättenwasser gelten“, sagt er. Mattfeldt fordert eine „hundertprozentige Reinigung und Aufarbeitung des Lagerstättenwassers. Technisch ist das möglich“. Das sei zwar teurer als die jetzige Entsorgung, doch Experten hätten ihm versichert, dass sich das durchaus noch rechne.

Auf RWE Dea ist Mattfeldt nicht gut zu sprechen, vor allem das Verhalten des Vorstandsvorsitzenden Thomas Rappuhn ärgert den Abgeordneten. Der Kreistag in Verden hat den RWE Dea-Chef schon vor längerer Zeit zu einem Gespräch eingeladen. „Bislang hat er darauf nicht reagiert“, sagt Mattfeldt. Dafür trat Rappuhn kürzlich als Gastgeber einer internen Informationsveranstaltung auf dem Betriebsgelände in Völkersen auf. Eingeladen waren dazu unter anderem Kommunalpolitiker, Vertreter der Bürgerinitiative und auch Mattfeldt. Doch der CDU-Abgeordnete blieb der Veranstaltung fern: „Solange Herr Rappuhn nicht zu uns kommt, gehen wir auch nicht zu ihm.“

c/c: VN 18.11.2013