„Wie will sie das hinkriegen“
WAHL – Erstes kreisweites Power-Frauen-Netzwerktreffen in Etelsen
VON JENS WENCK
Etelsen – „Eine geniale Idee“, findet der Besuch aus Berlin. „Eine sensationelle Location“, fügt Silvia Breher noch hinzu – und ihre Gastgeberinnen strahlen. Hella Bachmann hat an diesem Mittwochnachmittag zur landkreisweiten „Power-Frauen-Power“-Veranstaltung auf den Hof Beckröge nach Etelsen eingeladen.
„Ziel ist das Vernetzen. Austausch soll entstehen und gefördert werden“, hatte Bachmann in der Einladung erklärt. Gekommen sind Vertreterinnen etlicher Frauenorganisationen: von Neua (dem Förderverein für nachhaltige Ernährung, Umweltbildung und Agrarwirtschaft), die Landfrauen, die Jungen Landfrauen, die Klubs Zonta, Rotary/Inner Wheel, Lions Christina Regina. Alle haben einen Stand aufgebaut, informieren, es wird geschnackt und vernetzt – bis Silvia Breher dann das Wort ergreift.
Sie ist seit 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU und sitzt für die Union im Bundestag. Was sie sich vor ein paar Jahren noch gar nicht hat träumen lassen, sagt Breher. Sie ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, hat Jura studiert – „Fragen Sie mich nicht warum“ – wurde Rechtsanwältin, Geschäftsführerin des Landvolkes Vechta. Sie wurde gefragt, ob sie nicht im Oldenburger Land für den Bundestag kandidieren wolle. Für die CDU.
„Und dann kam der Moment, der sehr weiblich ist, glaube ich. Wieso kommen die auf mich?“, hat sie sich gefragt, erzählt Breher. Es gab noch mehrere männliche Mitbewerber.
Breher hat drei Kinder. „Wie will sie das hinkriegen, war oft die Frage. Die Männer wurden das nie gefragt“, sagt Silvia Breher. „Die Frage kam übrigens immer von Frauen.“ Sie gewann die Kandidatenkür, sie gewann den Wahlkreis, landete in Berlin und wollte im Bundestag eigentlich Landwirtschaftspolitik machen – und landete bei der Familienpolitik und bei Frauenrechten.
„Wir haben etliche Frauen mit Mandaten“, stellte Breher im Parlament fest. „Aber kaum welche mit Kindern.“ Ihre Beobachtung: Es gibt Unterschiede zwischen Eltern und Nichteltern – und dann erst welche zwischen Männern und Frauen. Familie und Kinder mit dem Beruf, mit der Karriere unter einen Hut zu bekommen: „Das ist noch ein ganz anderer Spagat.“
Frauen seien viel skeptischer in ihrer Selbsteinschätzung als Männer, meint Breher. „Männer überlegen nicht, ob sie es können, sie machen es einfach, wenn sie es wollen.“ Und bewerten ihre Fähigkeiten gern auch zu hoch.
Männer würden sich auch dann noch unterstützen, wenn sie sich nicht in allen Punkten einig sind, das wäre bei Frauen schon anders. „Deswegen gilt es Netzwerke zu nutzen, um Frauen auch langfristig strategisch aufzubauen.“ So Breher, deswegen fände sie die Veranstaltung in Etelsen auch so großartig.
Was sie denn von einer Frauenquote halte, wurde Breher gefragt.
„Ich habe immer gedacht, das braucht es nicht“, gibt sie zu. „Aber das stimmt so nicht.“ Ja, Frauen hätten absolut ihre Chancen, solange sie gut in der Ausbildung und im Beruf sind. „Aber dann kommt irgendwann die Familie und unweigerlich der Schritt zurück. Und diesen Knick holt man später nicht mehr auf.“
Den Frauen fehlt dann das Netzwerk, um ganz noch oben zu kommen, deswegen sei die Frauenquote für Aufsichtsräte eingeführt worden. „Auch damit hingeschaut wird: Was brauchen Frauen und Mütter, um ihren Job machen zu können. Wir wissen das seit vielen Jahren. Aber es ändert sich nichts.“ Noch nicht.
„Das ist doch eine tolle Frau“, war im Publikum zu hören. Darunter hatte sich auch Andreas Mattfeldt gemischt. Der Völkerser ist im Bundestag, möchte auch wieder nach Berlin und außerdem in den Kreistag und den Gemeinderat gewählt werden. Hella Bachmann und Bianca Boss, die den Nachmittag mit organisierte, kandidieren bei der Kommunalwahl für die CDU.
Zumindest zeitweise ließ sich auch die eine oder andere Kandidatin aus den Reihen der SPD auf dem Hof Beckröge blicken.
„Das ist ausdrücklich keine Wahlwerbeveranstaltung“, hatte Hella Bachmann im Vorfeld erklärt. Wie weit das nun zutraf, müssen die Teilnehmerinnen, die die Gelegenheit ganz offensichtlich auch zum regen Austausch nutzten, selbst beurteilen.
VAZ vom 03.09.2021