Dioxinskandal verwundert mich nicht

Dioxinskandal verwundert mich nicht

Der Dioxinskandal belastet das Vertrauen in die Land- und Lebensmittelwirtschaft enorm.  Gerade die überwiegende Mehrheit der sauber arbeitenden Landwirte und Lebensmittelproduzenten leidet heftig unter der derzeitigen Situation. Auch in meiner Heimatgemeinde  Langwedel hat ein Landwirt und Futtermittelhersteller dioxinbelastete Fette aus dem Betrieb von Harles und Jentsch bezogen.

Auch dieser kleine Futtermittelhersteller und Landwirt aus Langwedel  hat unwissentlich Fette der Fa. Harles und Jentsch verarbeitet und verfüttert. Die dioxinbelasteten Schweine wurden geschlachtet und vernichtet.

Auch wenn ich keine gesundheitlichen Auswirkungen erwarte, denn die Dioxinbelastung in Lebensmitteln ist in der Gesamtheit in den vergangenen Jahren erheblich gesunken, sage ich deutlich, dass dieses Gift  in meinen Lebensmitteln nichts zu suchen hat!
(Dioxin entsteht übrigens seit Menschengedenken bei jedem Verbrennungsprozess)

Als ehemalige Führungskraft in der deutschen Fleischwarenindustrie bin ich vom Dioxinskandal allerdings wenig  überrascht. Nein, wenn ich ehrlich bin, habe ich hiermit bei dem seit Jahrzehnten herrschenden Preiskampf in der Lebensmittelbranche sogar gerechnet.  In öffentlichen Stellungnahmen habe ich immer wieder mitgeteilt, dass es nur eine Frage der Zeit ist,  bis der nächste Lebensmittelskandal die Branche aufwirbelt.

Immer wieder war es für mich als Vertriebschef in der Fleischwarenindustrie bemerkenswert, dass einige Wettbewerber ihre Produkte in den Kühlregalen des Handels zu einem günstigeren Verbraucherendpreis angeboten haben, als wir in unserem Betrieb überhaupt Rohware einkaufen konnten.

Für den Lebensmittelhandel steht ausschließlich der Preis mit seinen Rabatten, Einlistungsgeldern, Werbekostenzuschüssen etc. im Vordergrund seiner Einkaufspolitik.
Nie habe ich bei Verkaufsgesprächen die Frage des Handels gehört, ob wir als Lieferanten hochwertige, qualitativ saubere Rohware in der Produktion einsetzen.
Ausreichend war immer, dass man ja die vom Handel geforderte sogenannte ISO–Zertifizierung als Produzent vorweisen konnte und dann werde schon alles in Ordnung sein. Hauptsache die geforderten Listungsgelder und der absolute Tiefstpreis werden gezahlt bzw. angeboten.
Für mich bedeutete dies, da wir in unserem Betrieb ausschließlich hochwertigste Rohwaren eingesetzt haben, dass wir häufig den Zuschlag, gerade bei Mengenartikeln, nicht bekommen haben und uns Marktnischen erschließen mußten. Vielleicht bei der heutigen Situation sogar ein Vorteil.

Natürlich sucht der deutsche Verbraucher auch heute wieder nach Schuldigen. Und am Einfachsten ist es immer, die Politik verantwortlich zu machen. Dies scheint mir aber, auch wenn mir der öffentlich ausgetragene Streit zwischen der Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner und Niedersachsen wenig hilfreich erscheint, zu kurz gedacht zu sein.

Auch wenn wir noch härtere Gesetzesauflagen und Kontrollen einführen, bin ich nicht der Überzeugung, dass wir hiermit Lebensmittelskandale verhindern können. Dort wo die Gier das Handeln bestimmt und kriminelle Energie vorhanden ist, wird man sich durch Gesetze nicht beeindrucken lassen und Kontrollen zu umgehen wissen. Eine 100%ige Kontrolle kann und wird es nicht geben und ist wohl unbezahlbar.

Solange aber auch wir Verbraucher in breiter Mehrheit in den Regalen immer zur billigsten Milch, zum billigsten Fleisch greifen, tragen wir eine große Mitschuld. Die „Geiz ist Geil“-Mentalität, gerade im Lebensmittelbereich ist uns wohl sehr wichtig. Die Qualität unserer Lebensmittel scheint mir im Gegensatz zu Mobiltelefonen, Autos, Flachbildschirmen oder Urlaub nahezu egal zu sein. Im Gegensatz zu den Fünfziger, Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts geben wir heute einen verschwindend geringen Anteil unseres Einkommens für Lebensmittel aus.

Ich bin der festen Überzeugung, dass neben dem Verbraucher jetzt auch der Handel gefordert ist und mit seiner Nachfragemacht deutlich mehr Augenmerk auf Qualität und Reinheit der Produkte setzen muss. Vielleicht scheint es sogar erforderlich, den Handel und die Industrie, ähnlich wie bei der Entsorgung von Verpackungen mit dem Grünen Punkt, an zukünftigen Kontrollmechanismen durch staatliche Stellen zu beteiligen. Zur Sicherheit von uns allen!